Sicherheitspolitik:Gefährder müssen viel schneller abgeschoben werden

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Sami A., seit dem Jahr 2005 als Gefährder eingestuft, wurde unrechtmäßig in sein Heimatland Tunesien ausgeflogen (Symbolfoto). (Foto: dpa)

Nie wieder darf es so lange dauern, bis jemand wie Sami A. dieses Land verlassen muss. Aber die Regeln des Rechtsstaates dürfen dafür nicht außer Kraft gesetzt werden.

Kommentar von Georg Mascolo

In den vergangenen Monaten machte sich der deutsche Staat daran, ein vor mehr als 13 Jahren gegebenes Versprechen gegenüber seinen Bürgern einzulösen. Damals hatte der Bundestag unter dem Eindruck des verheerenden terroristischen Anschlags in Madrid das Aufenthaltsgesetz geändert, damit sogenannte Gefährder und andere radikale Islamisten einfacher in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Es sind dies Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste Straftaten zutrauen.

Lange geschah dann allerdings fast nichts. Doch seit Beginn des Jahres 2017 weist die Statistik mehr als 90 solcher Abschiebungen aus. Deutsche Diplomaten bemühten sich in den Herkunftsländern der Islamisten um Zusicherungen, dass diese dort nicht gefoltert würden und ihnen ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert sei. Manchmal schaltete sich sogar die Bundeskanzlerin ein. Höchste Gerichte segneten ab, dass diejenigen, die Deutschland und seine Werteordnung verachten und bekämpfen wollen, das Land verlassen müssen.

Es war die Lehre aus dem Fall Anis Amri, dem Attentäter von Berlin. Dass jemand wie Amri nicht abgeschoben wurde, galt früh als eines der zentralen Versäumnisse in diesem Fall. Zwölf Menschen mussten sterben, bis ein Staat zu beobachten war, der bei der Abschiebung solcher Menschen an seine Grenzen ging. Aber der zugleich auch seine Grenzen kannte.

Die kurze Erfolgsgeschichte endete am 13. Juli gegen drei Uhr morgens. Da holten Polizisten den Tunesier Sami A. aus dem Abschiebegefängnis in Büren. Sami A., seit dem Jahr 2005 als Gefährder eingestuft, wurde ausgeflogen. Das zuständige Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen war bewusst nicht informiert worden. Aber die Bild-Zeitung wusste Bescheid.

Am größten ist der Schaden gegenüber Ländern wie Tunesien

Noch ist unklar, wer für die Täuschung der Richter alles Verantwortung trägt. Der entstandene Schaden aber ist bereits zu betrachten: Misstrauen in der Justiz und auch bei vielen in den Sicherheitsbehörden. Sie wollen einen wehrhaften Staat. Aber keinen, der die Regeln bricht.

Noch größer ist der Schaden gegenüber Ländern wie Tunesien, die eigentlich weder Sami A. noch all die anderen zurückhaben wollen. Dass sie in jedem einzelnen Fall rechtsstaatliche Garantien abgeben sollen, empfinden sie als Misstrauen. Nur stille und geduldige Diplomatie hat die Lösung bisheriger Fälle erlaubt. Dass nun seit Wochen hier die Frage diskutiert wird, ob man ihr denn überhaupt trauen kann, empört die tunesische Regierung.

Es ist ein Desaster, unverständlich auch, weil man den Fall höchstwahrscheinlich so wie die anderen bisher auch hätte lösen können: mit einer Zusicherung aus Tunis, wie sie die Richter in Gelsenkirchen verlangten. Doch das ist nicht geschehen. Es wäre der mühsame Weg gewesen - so wie es mühsam bleiben wird, die, die Deutschland unsicher machen, aus dem Land zu bekommen, ohne dass ihnen in der Heimat Willkür droht.

Man kann nur hoffen, dass aus der Causa Sami A. nun die richtigen Lehren gezogen werden. Nie wieder darf es so lange dauern, bis jemand wie er dieses Land verlassen muss. Die Abschiebung von Gefährdern muss mit aller Konsequenz betrieben werden, der Staat schuldet es seinen Bürgern. Aber nie wieder dürfen dafür die Regeln des Rechtsstaates außer Kraft gesetzt werden.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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