Abschiebungen:Der Staat ist stark, aber er weiß es nicht

Eine Karlsruher Lehrstunde.

Von Heribert PranTL

Der Gesetzgeber ist kein Karnickel. Die innere Sicherheit in Deutschland ist daher nicht davon abhängig, dass möglichst schnell möglichst viele Gesetze produziert werden. Sie ist davon abhängig, dass das Recht klar, übersichtlich und praktikabel ist - und dass es klug angewendet wird. Verunsichert von der Unzahl der neuen Paragrafen im Straf-, im Polizei- und im Ausländerrecht, verwirrt von den ständigen Forderungen von Sicherheitspolitikern, das Recht müsse noch schärfer werden, ist offenbar die Klugheit und Entschlossenheit bei der Rechtsanwendung partiell verloren gegangen; es werden immer wieder Paragrafen gefordert, die es längst gibt.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu soeben eine Lehrstunde erteilt. Es sagt: Man kann terroristische Gefährder packen, wenn man will; es gibt die Gesetze, die man dafür braucht. Die Richter haben erklärt, dass die Abschiebungsanordnung nach Paragraf 58 a Aufenthaltsgesetz effektiv anwendbar ist. Also hätte der Weihnachtsmarkt-Attentäter von Berlin lang vor dem Attentat aus dem Verkehr gezogen werden können. Im Fall Anis Amri hatten die Behörden nicht zu diesem Paragrafen gegriffen, weil sie ihn für unpraktikabel hielten. Es zeigt sich: Nicht die Rechtslage war unzureichend, sondern sie wurde unzureichend genutzt.

Die Verteidigung der Rechtsordnung besteht zuvorderst darin, dass man sie erstens kennt und zweitens anwendet.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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