Waren gemeinsam mit Petra Kelly die ersten Fraktionschefs der Grünen: Marieluise Beck und Otto Schily.
(Foto: Foto: dpa)sueddeutsche.de: Was haben Sie im Bundestag über Politik gelernt?
Marieluise Beck: Dass Politik ein Beruf ist. Es braucht dafür eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit, eine gewisse Härte und die Bereitschaft, Verletzungen hinzunehmen und abzuwehren.
sueddeutsche.de: Und selbst auch zu verletzen?
Marieluise Beck: (überlegt lange) Ja, natürlich verletzt man auch. Wenn Sie so wollen, ist jede Konkurrenz, jedes Antreten in einer Abstimmung gegen jemand anderen eine Form von Verletzung. Aber man muss lernen, dass es dabei nicht um die eigene Person als Ganzes geht.
sueddeutsche.de: Ist das der Unterschied zwischen Grünen heute und denen von 1983?
Marieluise Beck: Vielleicht. Ich hatte, als ich von der Sanftheit gesprochen hatte, noch keine Vorstellung davon, dass es in der Politik um Rollen geht, wie in jedem anderen Beruf auch. Ich habe mich am Anfang mit meiner ganzen Person zur Disposition gestellt. Das geht nicht auf Dauer, das hält man nicht durch.
sueddeutsche.de: Früher war Professionalisierung ein Schimpfwort in der Partei. Sie haben das zu spüren bekommen, als Ihnen für das Amt der Parteisprecherin in Bremen eine finanzielle Entschädigung verweigert wurde.
Marieluise Beck: Ja. Ich habe das Amt dann niedergelegt, weil ich nicht parallel als Lehrerin arbeiten konnte und ich von irgendetwas leben musste. Man muss Grenzen ziehen können in diesem Beruf. Gegenüber der eigenen Person - und auch gegenüber dem, was man erlebt.
Ich bin als Ausländerbeauftragte mit unendlich vielen Flüchtlingsschicksalen konfrontiert worden, die herzzerreißend waren. Wenn man aber nicht lernt, zu unterscheiden, wo kann ich helfen, und wo muss ich einsehen, dass ich nicht die ganze Welt retten kann, dann geht man kaputt.
sueddeutsche.de: Was würde denn die Marieluise Beck von 1983 der Marieluise Beck 2008 vorwerfen?
Marieluise Beck: Muss ich so hart mit mir umgehen, dass ich jetzt einen Vorwurf konstruiere?
sueddeutsche.de: Vielleicht hätte die Marieluise Beck von 1983 Ihnen vorgeworfen, Teil des Establishments zu sein, kühl und berechnend.
Marieluise Beck: Das kann durchaus sein. Klar. Ich hätte wohl gesagt, Sie beugen sich zu sehr den angeblich von außen gesetzten Sachzwängen.
sueddeutsche.de: "Sachzwänge", das war auch so ein Schimpfwort.
Marieluise Beck: Ja, das war ein Schimpf- oder besser ein Angriffswort, das wir damals benutzt haben.
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