Zwickauer Terrorzelle:Verräterische Glückwünsche

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Das Zwickauer Terror-Trio hatte 2002 bereits vier Menschen ermordet. Zu diesem Zeitpunkt wussten weder Öffentlichkeit noch Sicherheitsbehörden von der Existenz des NSU. Doch möglicherweise war die Gruppe damals in der rechtsextremen Szene schon bekannt.

Hans Leyendecker

Erstmals ist ein Hinweis aufgetaucht, dass die deutsche Neonazi-Szene von der Existenz der Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gewusst haben könnte. Nach Angaben des linken Pressearchivs "Apabiz" in Berlin findet sich in dem Editorial der Ausgabe 1/2002 des Neonazi-Hefts Der Weisse Wolf etwas unvermittelt der Satz: "Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen". Es folgen ein zwinkernder Smiley und die Parole "Der Kampf geht weiter..."

Der Süddeutschen Zeitung liegt eine Kopie des Editorials vor. Es lässt sich aber derzeit nicht gänzlich ausschließen, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Die Macher des Pressearchivs gelten allerdings als sehr seriös.

Der Satz in dem Editorial wäre von besonderer Bedeutung, weil im Frühjahr 2002 weder die Öffentlichkeit noch die Sicherheitsbehörden von der Existenz der NSU wussten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Neonazis um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bereits vier Migranten ermordet.

Die Buchstaben "NSU" sind nach Angaben des Berliner Pressearchivs "kein bekanntes Kürzel in der Szene". Der Hinweis im Weissen Wolf sei die "erste uns bekannte Verwendung in Veröffentlichungen der Neonazi-Szene oder in deren Kontext".

Entstanden ist Der Weisse Wolf 1996 als "Rundbrief inhaftierter Kameraden der Justizvollzugsanstalt Brandenburg". Das Zwickauer Trio hatte vor dem Abtauchen in den Untergrund im Jahr 1998 Kontakte zu Schreibern dieses Heftes. Auch hatte das Trio inhaftierte Neonazis unterstützt. Der Gruß in dem Heft könnte sich auf einen Brief beziehen, den die NSU-Gründer Anfang des Jahres 2002 geschrieben haben und der als Datei auf einer Festplatte in dem Trümmerschutt in Zwickau gefunden wurde: "Verbote zwingen uns Nationalisten immer wieder, nach neuen Wegen im Widerstandskampf zu suchen" hatten die Autoren geschrieben.

"Getreu dem Motto: Sieg oder Tod"

Die "Aufgaben des NSU" bestünden in der energischen Bekämpfung der Feinde des deutschen Volks und der bestmöglichen Unterstützung von Kameraden und nationalen Organisationen. Solange sich keine "grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit" vollzögen, würden die Aktivitäten weitergeführt. "Getreu dem Motto: Sieg oder Tod". "Entschlossenes, bedingungsloses Handeln soll der Garant dafür sein, dass der morgige Tag dem deutschen Volk gehört."

Das Schreiben diente, wie das Bundeskriminalamt vor Wochen in einer Expertise feststellte, "der Anwerbung und Unterstützung von vermutlich ausgewählten Kameraden der rechtsextremistischen Szene". Eine "Verbreitung des NSU-Briefes", so schrieb das BKA damals, kann "nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht festgestellt werden".

Die Schreiber des NSU-Briefs hatten offenbar auch Geldspenden an die Szene geplant: "Der Empfänger des Schreibens ... darf den Brief und die Spende einbehalten und für seine Zwecke nutzen", steht in dem Pamphlet. Hat der NSU die Szene gesponsert? "Bei dem Absender handelt es sich in Wahrheit um eine Ausweichadresse, an die der Brief weitergeleitet werden sollte, wenn die Anschrift nicht richtig ist", stand noch in dem Pamphlet.

© SZ vom 29.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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