Wahlrecht:Fortschritt unter Qualen

Das Recht zu wählen, ist ein Grundrecht. Es gilt auch für Menschen mit geistigen Behinderungen und für psychisch Kranke. Traurig, dass diese Menschen um ihr Recht so lange kämpfen mussten. Nun haben sie sich endlich durchgesetzt.

Von Edeltraud Rattenhuber

Etwa 85 000 Menschen stehen in Deutschland unter Betreuung in allen Angelegenheiten; diese Menschen dürfen nun bei der Europawahl am 26. Mai wählen. Ob sie ihr Recht letztlich wahrnehmen oder nicht, ist ihre Sache. Entscheidend ist, dass sie sich durchgesetzt haben. Bedauerlich ist, dass sie ihr Recht vor Gericht erstreiten mussten.

Das Recht, zu wählen, ist ein Grundrecht. Es gilt für alle. Auch für Menschen mit geistigen Behinderungen und für psychisch Kranke. Das musste in Deutschland in einem quälend langen Prozess ins Bewusstsein des Gesetzgebers gerückt werden. Erst im März wurden die sogenannten Wahlrechtsausschlüsse aufgehoben - auf Drängen des Bundesverfassungsgerichts. Und sogleich hat der Gesetzgeber neue Hürden aufgebaut: Die Entscheidung gelte nicht für die Europawahl, das sei zu kurzfristig, hieß es.

Natürlich brauchen zum Beispiel geistig behinderte Menschen vor einer Wahl speziell aufbereitete Informationen in einfacher Sprache und auch Wahlrechtsassistenzen. Das weiß man aber seit Jahren. Der unsägliche Vorgang bestätigt den Eindruck, den Menschen mit Behinderungen seit vielen Jahren haben: Obwohl Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat, müssen sie sich immer noch jeden Fortschritt hart erkämpfen.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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