Es ist nicht das erste Urteil des Europäischen Gerichtshof zum Schutz homosexueller Asylbewerber, aber es ist ein besonders wichtiges. Denn die Richter aus Luxemburg sorgen dafür, dass der Sauerstoff der europäischen Grundrechte auch dorthin gelangt, wo die Luft sonst sehr dünn ist: in die Praxis der Asylverfahren, die auf Abwehr und auf Misstrauen geeicht sind.
Homosexuelle sind dort eine äußerst verwundbare Gruppe. Ihnen den Nachweis ihrer sexuellen Orientierung abzufordern, käme einer Nötigung zur Offenbarung der eigenen Intimsphäre gleich. Der Schutz der Verfolgten wäre dann nur um den Preis der Entwürdigung zu haben.
EuGH-Urteil:Mehr Schutz für homosexuelle Flüchtlinge
Verfolgte Homosexuelle haben ein Recht auf Asyl. Aber wie sollen sie ihre sexuelle Orientierung beweisen? Der Europäische Gerichtshof hat festgelegt: Fragen sind zulässig, Tests wie die "Phallometrie" nicht.
Richtig ist zudem, dass die Richter den Behörden ein Paradeinstrument des kalten Asylpragmatismus aus der Hand genommen haben. Wer sich erst im Laufe der Prüfung auf Homosexualität berief, konnte schon wegen des späten Vorbringens scheitern. Homosexuelle Verfolgte, denen Heimlichkeit zur zweiten Natur geworden ist, fiel es aber oft schwer, sich zu offenbaren. Darauf Rücksicht zu nehmen, macht die Verfahren menschlicher.
Klug ist das Urteil aber auch deshalb, weil es den Behörden nicht zumutet, sich naiv zu stellen. Homosexuelle Flüchtlinge dürfen befragt werden wie andere Flüchtlinge auch. Damit kann die Praxis leben. Wer wirklich verfolgt ist, das lässt sich auch herausfinden, ohne unter der Bettdecke nachzuforschen.