Bundestagspräsident:Aufeinander zugehen statt belehren

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Wolfgang Schäuble wirbt für Kompromisse mit Frankreich und relativiert dabei einige Positionen der neuen CDU-Chefin.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wir Deutschen, sagt Schäuble, neigten manchmal „zu moralischen Überhöhungen unserer Position“. Damit müsse man Partnern nicht kommen. (Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor der Unterzeichnung des deutsch-französischen Parlamentsabkommens an diesem Montag dafür geworben, verstärkt nach Kompromissen zu suchen. Mit Blick auf den anhaltenden Streit um deutsche Antworten auf die Reformangebote des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte er der Welt am Sonntag: "Wenn wir die deutsch-französische Zusammenarbeit ernst meinen, dann muss jeder der Partner bereit sein, seine eigenen Positionen zu überprüfen." Aus Deutschland müssten mehr Zugeständnisse kommen. "Wir Deutschen neigen manchmal zum Belehren unserer Partner und zu moralischen Überhöhungen unserer Position", sagte er. Damit brauche man den französischen Partnern nicht zu kommen.

Ohne direkte Kritik zu äußern, relativierte Schäuble einige Positionen, die die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer jüngst als Antwort auf eine europäische Initiative des französischen Präsidenten vorgetragen hatte. Anders als Kramp-Karrenbauer hält Schäuble etwa einen europäischen Mindestlohn für erstrebenswert. Macron habe dazu "einen bemerkenswerten Vorschlag" gemacht. Auch die Idee von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei "bedenkenswert", wonach sich alle Länder verpflichten sollten, 50 Prozent des jeweiligen Durchschnittslohns als Mindestlohn zu zahlen - ähnlich wie das in Deutschland praktiziert werde. "All dies könnte in der neuen Kammer ausführlich diskutiert werden", sagte Schäuble.

Damit distanzierte er sich sowohl von Kramp-Karrenbauer als auch von Tilman Kuban, dem neuen Vorsitzenden der Jungen Union. Kramp-Karrenbauer hatte Macron beim europaweiten Mindestlohn eine klare Abfuhr erteilt. "Europäischer Zentralismus, europäischer Etatismus, die Vergemeinschaftung von Schulden, eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns wären der falsche Weg", schrieb sie in ihrer Antwort. Kuban hatte bei seiner Wahl zum Vorsitzenden am vergangenen Wochenende gesagt, er sei "nie ein Freund des Mindestlohns gewesen".

Schäuble schwächte auch Kramp-Karrenbauers Forderung ab, Straßburg als Sitz des Europäischen Parlamentes zu streichen. Straßburg habe "eine hohe emotionale Bedeutung, nicht nur für die Franzosen, auch für die Nachbarn Straßburgs wie mich", sagte er. Es gebe aber gute Gründe, "auf lange Sicht das Europaparlament auf einen Sitz zu konzentrieren".

Wie Kramp-Karrenbauer sprach sich auch Schäuble für einen gemeinsamen europäischen Sitz im UN-Sicherheitsrat aus. Dies sei das "Logischste auf der Welt". Er machte aber deutlich, dass ein Verzicht Frankreichs auf seinen Sitz auch bedeute, dass Deutschland zu Zugeständnissen in der Sicherheitspolitik bereit sein müsse. Berlin müsse "im Gegenzug bereit sein, einen Teil der Lasten dafür zu tragen". Man müsse etwa die deutsch-französische Brigade "nicht nur haben, sondern auch zum Einsatz bringen". Zu reden sei auch über die Funktionsfähigkeit von Nachrichtendiensten und deren Transparenz. Damit sprach Schäuble kritische Punkte in der Zusammenarbeit an. Die deutsch-französische parlamentarische Versammlung werde sich künftig damit beschäftigen und Kompromisse suchen.

Die Aussagen der neuen CDU-Chefin hatten zuvor schon für Kritik gesorgt. SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte, es sei "schon ein starkes Stück", dass Kramp-Karrenbauer nach Jahren der Krise in Europa kein Wort über den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit verliere und sich gegen Mindestlöhne in Europa stelle. Er bezeichnete es als Europas wichtigste Aufgabe, den Menschen eine gute Zukunft zu sichern. Der Grünen-Politiker und Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold, sprach von einem "schweren Fehler". Auch in der Unionsfraktion gab es intern Kritik. Der Chef des Europaausschusses, Gunther Krichbaum, sagte nach Angaben von Teilnehmern, man solle besser das Verbindende in Europa betonen.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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