Zwickau:"Nicht zulassen, dass Nazis das Sagen haben"

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Ein 17-jähriger Schüler organisiert in Zwickau spontan eine Mahnwache. Zuvor waren zwei Denkmäler geschändet worden, die an das erste Mordopfer der Terrorgruppe NSU erinnerten.

Interview von Raphael Weiss

Im Oktober 2019 sägten Unbekannte eine Eiche im Schwanenteichpark in Zwickau ab. Der Baum war Teil eines Gedenkortes für Enver Şimşek, dem ersten NSU-Mordopfer. Anschließend wurden neue Bäume gepflanzt. (Foto: dpa)

In der vergangenen Woche sind in Zwickau zwei Denkmäler geschändet worden, die an Enver Şimşek erinnern. Şimşek war das erste Mordopfer der Neonazi-Terrorgruppe NSU. Erst wurde ein Gedenkbäumchen umgesägt, dann wurde eine Bank zerstört. Diesen Ausdruck des Hasses wollte der 17-jährige Jakob Springfeld so nicht stehen lassen. Gemeinsam mit Mitschülern organisierte der Zwickauer eine Gedenkminute an dem umgesägten Baum, zu der am Montag etwa hundert Menschen kamen.

SZ: Wie kam es zu dieser Gedenkminute ?

Jakob Springfeld: Am Sonntagabend kam mir die Idee dazu. Ich wollte ein Zeichen setzen. Viele meiner Mitschüler hatten mir auch von sich aus geschrieben, dass es einfach nicht in Ordnung ist, was da passiert ist, und dass Zwickau immer nur im Zusammenhang mit braunem Gedankengut in den Nachrichten ist. Wir wollten es einfach nicht zulassen, dass in unserer Stadt die Nazis das Sagen haben.

Wie lief die Veranstaltung ab?

Wir sind zusammen zu dem Gedenkbaum gelaufen, dort wurde die Geschichte des Enver Şimşek vorgelesen und auch, wie er von den Nazis umgebracht wurde. Danach gab es die Gedenkminute, und anschließend habe ich noch ein paar Worte gesagt.

Vor dem NSU-Prozess am Oberlandesgericht München erinnert 2016 ein Foto an den Nürnberger Blumengroßhändler Enver Şimşek. (Foto: picture alliance / dpa)

Gibt es denn in Zwickau so ein massives Problem mit Rechtsextremismus?

Klar, das gibt es. Gerade die rechtsextreme Partei "Der Dritte Weg" ist hier relativ stark vertreten, insofern hat mich die Denkmalschändung leider nicht überrascht. Für mich ist es schon schwer vorstellbar, wie bösartig man sein muss, um so etwas zu tun. Nicht nur den Baum umzuschneiden, sondern dann weiterzumachen und auch noch diese Bank zu zerstören. Das zeigt einfach, was das für Leute sind. Aber es gibt auch sehr viele andere Initiativen, die sich gegen rechts einsetzen. Wir sind bunt. Und das haben wir bei dieser Gedenkminute ganz gut zum Ausdruck gebracht.

Haben Sie persönlich Erfahrungen mit Rechtsextremen gemacht?

Gerade weil ich mich in Zwickau für Fridays for Future engagiere, habe ich stark mitbekommen, dass es hier Nazis gibt. Die sind schon öfter auf den Klimademos auf uns Schülerinnen und Schüler losgegangen. Bei der letzten FFF-Demo haben Rechte alle Teilnehmer gefilmt, haben unsere Boxen ausgeschaltet, kamen, trotz eines Platzverweises, mit einem Auto und haben den Motor laufen lassen. Die versuchen gezielt, die Leute zu attackieren, die sich gegen Nazis einsetzen. Ich werde regelmäßig angepöbelt und angespuckt oder, wenn ich in den Club gehe, plötzlich rumgeschubst.

Jakob Springfeld, 17, ist Schüler am Peter-Breuer-Gymnasium in Zwickau, das direkt neben dem umgesägten Gedenkbaum liegt. (Foto: OH)

Macht Ihnen das Angst?

Schon ein bisschen, muss ich zugeben - vor allem, wenn ich alleine auf der Straße unterwegs bin, gerade wenn es dunkel ist. Ich achte mittlerweile darauf, dass ich abends nicht alleine vom Club nach Hause gehe. Aber es stehen so viele Leute hinter mir: Fridays for Future, das Bündnis "Für weniger Angst" und auch Freundinnen, Freunde und Mitschüler, die Stellung beziehen. Die mir sagen, dass sie für mich da sind. Das gibt mir Kraft und den Ansporn weiterzumachen.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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