Vorwürfe gegen Polizei:Anwalt des Verdächtigen von Höxter: Paar war mit Opfer bei Polizei

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Andenken an die Opfer vor dem Wohnhaus des beschuldigten Ehepaares in Höxter-Bosseborn (Nordrhein-Westfalen). (Foto: dpa)
  • Der Anwalt des mutmaßlichen Mörders Wilfried W. erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei; die hätte den Tod von mindestens zwei Frauen womöglich verhindern können.
  • Das Paar aus Höxter sei 2012 mit einer Gefangenen auf einer Polizeiwache in Niedersachsen gewesen.
  • Der zuständige Polizist habe sie gehen lassen, ohne Verdacht zu schöpfen.

Hätten die Verbrechen von Höxter verhindert werden können? Wenn es nach dem Anwalt des verhafteten Wilfried W. geht, ja: Eine Polizeipanne habe möglicherweise dazu geführt, dass W. und seine Exfrau Angelika nicht schon 2012 aufgeflogen seien - lange vor dem Tod von mindestens zwei Frauen, sagte der Bielefelder Rechtsanwalt Detlev Binder zunächst im Westfalen-Blatt. Gegenüber der SZ bestätigte er später seine Angaben.

Demnach sei Wilfried W. 2012 mit seiner mutmaßlichen Komplizin und einer Frau aus Berlin, die bei dem Paar wohnte, zur Polizeiwache ins niedersächsische Uslar gefahren, sagte der Rechtsanwalt. Das Paar habe vorgehabt, die Frau freizulassen, jedoch unter einer Voraussetzung: Sie sollte einen Brief unterschreiben, aus dem hervorging, dass sie frewillig bei dem Paar in Höxter gelebt habe. Ein Zeuge wiederum sollte bestätigen, dass die Frau das Schreiben freiwillig unterschrieben hatte - und zu diesem Zeugen wollte das Paar einen Beamten aus der Polizeiwache in Uslar ernennen, sagte Binder.

Der Polizist habe die Bitte des Paares jedoch abgelehnt und das Paar mit der Berlinerin fortgeschickt, sagte der Rechtsanwalt. "Dabei hätten der Inhalt des Schreibens und ein Mindestmaß an polizeilichem Instinkt den Beamten dazu bringen müssen, sich die Frau, deren Unterschrift er bestätigen sollte, einmal anzusehen und sich unter vier Augen mit ihr zu unterhalten", sagte der Anwalt dem Westfalen-Blatt.

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Die Frauen sollen Wilfried W. und seiner Frau höhere Geldbeträge gezahlt haben. Nicht alle wurden misshandelt. Die Polizei ermittelt zurück bis 1998.

Anwalt beruft sich auf Ex-Ehefrau

Binder beruft sich auf seinen Mandanten und auf dessen Ex-Ehefrau Angelika W., die ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Auch sei das Schreiben, das das Paar dem Polizisten in Uslar angeblich vorlegte, in deren Haus sichergestellt und in die Ermittlungsakten aufgenommen worden. "An der Aussage der Ehefrau zweifelt niemand", sagte Binder der SZ. "Warum sollte sie ausgerechnet in diesem Punkt lügen?", so der Anwalt.

Warum das Paar mit dem Gang zur Polizeiwache das Risiko eingegangen sein soll, aufzufliegen, erklärt sich Binder mit "Verblendung, eine vollkommene Verkennung der Realität". Das Ehepaar sei überzeugt gewesen, durch die säuberliche Auflistung von Formalitäten - wie der Dreiteilung angefallener Lebenshaltungskosten - die begangenen Straftaten verdecken zu können, sagte Binder weiter.

Polizei bestätigt Vorfall nicht

Eine Sprecherin der ermittelnden Mordkommission der Polizei in Bielefeld wollte den Vorfall nicht bestätigen. "Der Sache wird nachgegangen", sagte Kathryn Landwehrmeyer auf Nachfrage der SZ und verwies dabei auf die laufenden Ermittlungen. Auch Berichte, denen zufolge in dem Haus in Höxter mehrere Abschiedsbriefe gefunden wurden, in denen Opfer erklärten, freiwillig bei dem Paar gelebt zu haben, wollte die Sprecherin nicht kommentieren.

W. und seiner Exfrau wird vorgeworfen, in ihrem Haus im nordrhein-westfälischen Höxter-Bosseborn zwei Frauen im Alter von 33 und 41 Jahren so schwer misshandelt haben, dass sie starben. Die Beschuldigten hatten ihre Opfer über Kontaktanzeigen kennengelernt. Mindestens vier weitere Frauen sollen in dem Haus ebenfalls misshandelt worden sein und überlebt haben - unter ihnen eine Frau aus Berlin, bei der es sich nach Angaben von Detlev Binder um die Frau handelt, mit der das Paar 2012 die Polizeiwache in Uslar aufgesucht haben soll.

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