Verbrechen:Amokfahrt in Graz

Lesezeit: 2 min

Verwandte und Freunde eines jungen Mannes, der bei der Amokfahrt tödlich verletzt wurde, bekunden am Samstag ihre Trauer in Graz. (Foto: Elmar Gubisch/dpa)

Ein 26-jähriger Mann rast durch die Stadt, er tötet drei Menschen und verletzt 34. Offenbar ist der Täter psychisch krank, er war schon vorher gewalttätig. Ganz Österreich trauert mit den Angehörigen der Opfer.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Herrengasse in Graz ist am Sonntag ein verlassener, ein grenzenlos trauriger Ort. An manchen Geschäften hängen noch handgeschriebene und eilig an die Türen geklebte Zettel: "Wegen aktueller Ereignisse bis auf Weiteres geschlossen." Diese aktuellen Ereignisse haben die ganze Stadt mitgenommen wie kaum ein anderes Drama in den vergangenen Jahrzehnten: Drei Tote und 34 Verletzte standen am Ende der Amokfahrt eines offenbar psychisch gestörten Mannes, der am Samstagnachmittag mit einem grünen Geländewagen durch die sonnenbeschienene Innenstadt von Graz raste und Jagd auf Menschen machte. Einen kleinen Jungen riss er vom Fahrrad, er war sofort tot; einen frisch verheirateten Mann fuhr er um, dessen Frau liegt noch im Koma, eine andere Frau hatte er schon Minuten zuvor umgemäht. Grüne Nummern auf dem Asphalt markieren, wo der 26-Jährige im Vorüberrasen Menschen tötete.

Etwa fünf Minuten lang war der Täter mit mehr als hundert Stundenkilometern durch die Innenstadt der steirischen Landeshauptstadt gerast und schließlich ausgestiegen, um mit dem Messer auf Passanten loszugehen. Dann sprang er zurück in sein Auto und fuhr weiter mit Volltempo durch die belebte Fußgängerzone, vorbei an schreienden Menschen, entsetzten Gesichtern, an Passanten, die sich schutzsuchend auf den Boden oder auf die Seite warfen, hinter Säulen versteckten. Schließlich blieb er stehen, Polizisten holten ihn aus seinem Wagen und führten ihn ab.

Am Tag danach trauert ganz Graz - und sorgt sich um jene, die noch immer in Gefahr sind. Drei Erwachsene, die vom Amokfahrer überrollt worden waren, sind nach wie vor in kritischem Zustand; zwei Kinder lagen noch auf der Intensivstation, ihr Zustand sei stabil, hieß es. Die Kirchen sind voll, wie immer nach solchen Ereignissen; an den Orten, wo Menschen starben, liegen Blumen auf dem Asphalt, Kerzen brennen. Bürgermeister Siegfried Nagl, der selbst in der Innenstadt unterwegs war und den Täter im Vorüberrasen gesehen hatte, berichtet mit zitternder Stimme, was er erlebt hat: Er sei mit seiner Vespa unterwegs gewesen und habe einen Knall gehört, sofort an einen Unfall gedacht - aber dann gesehen, wie ein Auto einen Bus überholt und auf Menschen zuhält. "Dann ist er auf mich zugerast, ich habe sein verbissenes Gesicht gesehen, das war ein Wahnsinn. Ich konnte ausweichen." Andere nicht.

Der Täter sei wohl psychisch krank, vermuten die Behörden. Das Land steht unter Schock

Wie war das alles möglich? Das fragen sich nun viele. Ein psychisch kranker Mann, Kraftfahrer von Beruf, als kleines Kind von Bosnien nach Österreich gezogen und in der Nähe von Graz aufgewachsen, nimmt sich, wie Psychologen vermuten, gezielt vor, ein Blutbad anzurichten. Darauf weise die lange Strecke , die der Amokfahrer hinter sich gelegt habe, und sein Verhalten hin. Landespolizeidirektor Josef Klamminger sagte bei einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag, der Täter sei schon zuvor "als gewaltbereit in Erscheinung getreten", offenbar hatte er seine Familie vor etwa einem Monat angegriffen und daraufhin die gemeinsame Wohnung nicht mehr betreten dürfen. Man hole nun ein psychologisches Gutachten ein. Einen Terrorakt schließt Klamminger aus, man gehe von einer "Beziehungstat" aus. Eine Befragung des Täters sei aufgrund seines labilen Zustandes bisher nicht möglich gewesen, heißt es von Seiten der Polizei.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache hatte kurz nach der Amokfahrt, als noch nichts über die Umstände bekannt war, eilig anderes zu sagen gehabt. Der Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei hatte ein Foto des Wagens, mit dem der psychisch kranke Fahrer durch Graz gerast war, auf Facebook gepostet und dazu geschrieben: "Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen." Die empörten Reaktionen ließen nicht auf sich warten, der Fußballer Marko Stankovic vom Verein SK Sturm Graz schrieb an Strache: "Schämen Sie sich."

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: