USA:Home, sweet home

Lesezeit: 2 min

Wollte dann mal weg, und zwar "definitiv in Richtung Norden": US-Schauspieler und Trump-Kritiker Bryan Cranston. (Foto: Richard Shotwell/AP)

Nach Trumps Amtsantritt kündigte eine ganze Reihe amerikanischer Promis an, die USA zu verlassen. Menschen wie "Breaking Bad"-Darsteller Bryan Cranston wollten nach Kanada ziehen, ab in den Norden. Und nun?

Von Martin Zips

"Wer nichts als drohen tut alltag,/Da sorg nicht, dass er dich schlag'", heißt es im uralten Bestseller "Das Narrenschiff" des Straßburger Stadtschreibers Sebastian Brant. Und wenn das bereits im Jahr 1494 galt, so gilt es noch heute. Eine ganze Reihe amerikanischer Prominenter hatte im US-Wahlkampf damit gedroht, im Falle eines Wahlsieges von Donald Trump sofort die USA zu verlassen. Und zwar "definitiv in Richtung Norden". So hatte es beispielsweise "Breaking Bad"-Darsteller Bryan Cranston formuliert. Und wer dann kurz nach Trumps Inauguration daheim mal seinen alten Diercke-Weltatlas aufschlug, der wusste eigentlich gleich: Cranston zieht bald nach Kanada.

Auch viele von Cranstons Kolleginnen und Kollegen drohten mit Auswanderung. Barbra Streisand konnte sich in einem Interview der CBS-Sendung "60 Minutes" neben Kanada auch Australien vorstellen. Ihre Kollegin Chloë Sevigny äußerte gegenüber der Vanity Fair große Sympathien für Nova Scotia und der Rapper Snoop Dogg pries auf Instagram die wunderschöne Skyline von Toronto. Je nach Promi und den eigenen unerfüllten Selbstverwirklichungs-Fantasien trieb das die weltweiten digitalen Erregungskurven und Klickzahlen ordentlich in die Höhe.

Nun, nach einem Jahr Trump-Wahnsinn, haben zwei Journalisten aus Toronto und New York für den Guardian (eine Art seriöse Neuauflage des mittelalterlichen Narrenschiffs, nur halt auf Englisch und auch im Internet) mal nachgehört, was aus den prominenten Plänen so geworden ist. Um es kurz zu machen: Nichts. Streisand, Sevigny und Dogg hüllten sich auf Nachfragen in Schweigen und Cranston hat auch weiterhin noch sein hübsches Haus in Kalifornien. Zuletzt spielte er den roten Ranger Zordon in den "Power Rangers". Ein wirklich sehr amerikanischer Film. Andere, einst ebenfalls mit dem Mount Logan drohende US-Prominente, berufen sich mittlerweile darauf, in ihrer geliebten Heimat USA noch nie mehr gebraucht worden zu sein als heute. Und außerdem: "Wer nichts als drohen tut alltag,/Da sorg nicht, dass er dich schlag'." Das gilt ja irgendwie auch für Trump.

Tatsächlich blieb die Zahl der US-Anträge auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Kanada im Jahr 2017 insgesamt stabil. Deutliche Steigerungen gab es nur bei den US-Studenten, die plötzlich nach Kanada wechseln wollten (plus 29 Prozent), vor allem aber bei denen, die unter Trump fürchten, in den USA kein Asyl mehr zu bekommen und sich deshalb zu Fuß über die eiskalte Grenze machten: Laut der berittenen kanadischen Polizei wurden im vergangenen Jahr 18 615 illegale Einwanderer aufgegriffen - das sind mehr als 16 000 als im Vorjahr.

Es gibt sie eben doch, die wahren Schicksale. Ihre Ängste, ihre Drohungen werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Weil sie jenseits des Scheinwerferlichts und der permanenten Selbstvermarktung stattfinden. Das macht sie umso tragischer.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: