USA:Hanf im Glück

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Selfies im Gewächshaus: Erstmals werden auf einer Landwirtschaftsschau in den USA auch die schönsten Cannabis-Pflanzen gekürt.

Von Karoline Meta Beisel, Salem

In seiner Welt geht sein Outfit wohl als "Business Casual" durch, aber zwischen all den Gemüsebauern, Schweinezüchtern und Messebesuchern, die an seinem Stand vorbeiwuseln, fällt Peter Gendron doch etwas auf: Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit einem Hanfblatt in den Farben der amerikanischen Flagge, darüber ein schwarzes kurzärmeliges Hemd mit neongrünen Hanfblättern, und auf dem langen braunen Haar einen schwarzen Stoffhut, ebenfalls mit Hanf. Peter Gendron ist auf die "Oregon State Fair" gekommen, um sein Gewerbe anzupreisen - er ist der Präsident der Gilde der Cannabisbauern von Oregon, oder wie er es selbst formuliert: "Ich bin hauptberuflicher Kiffer."

Die Oregon State Fair in Salem ist eine Landwirtschaftsschau, wie es sie in jedem amerikanischen Bundesstaat gibt: In großen Hallen können Besucher Traktoren bewundern oder Kürbisse, Nachwuchsbauern vergleichen ihre Schweine, und für Kinder gibt es einen Streichelzoo. Die State Fair von Oregon aber ist in diesem Jahr eine besondere: Zum ersten Mal werden hier nicht nur die schönsten Gurken und die dicksten Zucchini mit einer Schleife gekürt, sondern auch wohlgewachsene Cannabispflanzen. Seit November 2014 ist Kiffen zum Vergnügen in Oregon legal, wie auch in mehreren anderen Bundesstaaten. Cannabispflanzen auf einer traditionellen State Fair - das gab es in den USA noch nie.

Das Geschäft mit dem Rausch ist in Oregon zu einem ernst zu nehmenden Wirtschaftszweig geworden, überall eröffnen Verkaufsstellen, sogenannte dispensaries. Es gibt Cannabis-Backbücher, -Gleitcremes und -Salben, die bei Hunden Rückenschmerzen lindern sollen. So ist die Branche auch für den Staat zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden: Gerade erst hat das Finanzamt von Oregon seine Schätzung für die zu erwartenden Steuerabgaben auf 35 Millionen Dollar vervierfacht. Dass die Pflanzen jetzt auch auf der Messe zu sehen sind, sei da nur konsequent, sagt ein Sprecher: "Das entspricht dem Stand, den wir jetzt in unserem Bundesstaat haben."

In einem kleinen Gewächshaus werden neun prämierte Pflanzen gezeigt. Manche sind groß und schlank gewachsen, andere eher klein und buschig. Allen gemein ist, dass sie keine Knospen tragen. Das war eine Bedingung der Veranstalter, denn Knospen enthalten mehr Wirkstoffe als die Blätter. Äste abreißen ist verboten, probieren auch. Überhaupt wird der Eintritt schärfer kontrolliert als im "Liquor Store". Die allermeisten Neugierigen im Hanfhaus sehen natürlich so aus, als seien sie schon auf der Welt gewesen, als Cannabis in den Sechzigerjahren populär wurde. In Salem müssen sie trotzdem am Eingang zum Gewächshaus beweisen, dass sie schon 21 sind. Drinnen benehmen sie sich dann wie Teenies: Sie machen Selfies neben den eingetopften Büschen.

"Ich finde das toll, dass es hier jetzt auch Cannabis gibt. Ich habe die Pflanzen noch nie aus der Nähe gesehen", sagt Mike Mitchell aus dem Städtchen La Pine, nachdem er sich vor den Pflanzen fotografiert hat. "Das war sowieso unverschämt, Leute fürs Gärtnern ins Gefängnis zu stecken." Mike Hogan, der ihn begleitet, stimmt zu: "Kiffen ist schon seit Jahren Teil unserer Kultur. Gut, dass sich die Bauern nicht mehr verstecken müssen." Auf einem Hocker sitzt lächelnd Danny Grimm: Zwei der mit ersten Preisen ausgezeichneten Pflanzen stammen aus seiner Zucht. Nach welchen Kriterien bewertet man eine Cannabispflanze? "Es kommt darauf an, wie die Pflanze gewachsen ist, ob sie eine gleichmäßige Krone hat, auf die Struktur der Blätter, die Farbe, den Geruch, und dass sie keine Schädlinge hat." Der Wirkgehalt der Pflanzen habe keine Rolle gespielt: Gurken würden bei der Messe ja auch nicht nach ihrem Geschmack beurteilt, sagt er.

Grimm baut schon seit zwölf Jahren Cannabis an - für medizinische Zwecke ist der Gebrauch schon länger legal. Dass viele die Pflanze nach wie vor für gefährlich halten, findet er falsch: "Die Pharmalobby will nur nicht, dass weniger herkömmliche Medikamente verkauft werden." In den vergangenen Tagen sei er schon häufig gefragt worden, welche Züchtung gegen welches Altersleiden am besten helfe, von Besuchern habe er nur positives Feedback bekommen. Dass man an ernsten Securitymännern vorbei muss, um ins Gewächshaus zu kommen, verdirbt ihm nicht den Tag: "Allein hier mitmachen zu dürfen, auf dieser traditionellen Schau, ist für mich der Wahnsinn." Der passend gekleidete Gendron sieht es ähnlich: "Wenn ich nicht jeden Tag damit zu tun hätte, würde ich nicht glauben, was hier gerade passiert", sagt er.

Die Besucherin Genie will ihren Nachnamen lieber nicht sagen - sie selbst hat zwar seit den Sechzigerjahren nicht mehr gekifft, ihr Mann raucht aber noch heute, und das soll nicht in der Zeitung stehen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erleben würde", sagt sie. Die gekürten Pflanzen findet sie aber nicht besonders beeindruckend: "Wir haben selbst drei im Garten stehen. Unsere sind fast genauso schön.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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