USA:Amerika wartet auf den Prozess gegen Robert Durst

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Robert Durst während der Dreharbeiten zur 2015 ausgestrahlten Dokureihe "The Jinx": Hat er 1982 seine Frau verschwinden lassen und 18 Jahre später seine Vertraute erschossen? Darüber wird im kommenden Jahr verhandelt. (Foto: HBO)

Der Millionär soll seine Ehefrau und eine Vertraute getötet haben. Seit 35 Jahren diskutieren die USA über den Fall, in den nun endlich Klarheit kommen soll.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist ein Moment, wie er in keiner Gerichtsshow fehlen darf. Plötzlich tritt ein Mensch auf, dessen Identität von der Staatsanwaltschaft monatelang geheim gehalten worden und der deshalb nur "geheimer Zeuge" genannt worden ist. Es ist der ehemals beste Freund des Angeklagten, und er will nun darüber berichten, dass der Mann auf der Anklagebank nicht nur ein exzentrischer Multimillionär ist, sondern ein gefühlskalter Mörder. Die Verteidiger, die bereits Mafiabosse vor dem Gefängnis bewahrt haben und am Freispruch für O.J. Simpson beteiligt gewesen sind, zweifeln mit markigen Worten die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen an. Der Zeuge wiederum wird seit Wochen rund um die Uhr von einer Spezialeinheit beschützt, denn der Angeklagte sei schließlich bekannt dafür, Zeugen auch mal umzubringen.

Wem das zu sehr nach Fernsehen klingt, dem sei gesagt: Das ist sogar nur ein Teil einer wahren Geschichte, die in den Vereinigten Staaten seit mehr als 35 Jahren für Aufregung sorgt. Hat Robert Durst im Jahr 1982 seine Ehefrau Kathleen verschwinden lassen und 18 Jahre später seine Vertraute Susan Berman erschossen? Darüber wird im kommenden Jahr verhandelt werden, derzeit finden im Gerichtsgebäude in Los Angeles Anhörungen statt. Und die deuten darauf hin, dass dies die spektakulärste Gerichtsverhandlung seit O.J. Simpson im Jahr 1995 werden dürfte.

US-Immobilienmogul Robert Durst
:Multi-Millionär unter Mordverdacht

Er will sie "alle getötet" haben: Der New Yorker Immobilien-Unternehmer Robert A. Durst ist unter Mordverdacht festgenommen worden. Er hatte sich für eine Doku-Reihe porträtieren lassen - und dabei wohl zu viel geplaudert.

Vor zwei Jahren wurde auf dem Bezahlsender HBO die sechsteilige Dokumentation "The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst" ausgestrahlt, an der Durst beteiligt war und in der er von seinem Leben erzählt. Er war das älteste von vier Kindern des Immobilien-Tycoons Seymor Durst, im Alter von acht Jahren sah er seine Mutter vom Dach der Familienresidenz fallen - bis heute ist nicht geklärt, ob sie gestürzt war oder sich gestürzt hatte. Durst sagt dazu im Film: "Das habe ich nie vergessen können, das hat mich immer verfolgt."

Durst galt als exzentrischer Sohn eines Multimillionärs, der im Unternehmen des Vaters schon mal in die Mülleimer der Mitarbeiter urinierte, trotz eines Privatvermögens von mehreren Hundert Millionen Dollar Firmengeld veruntreute oder seine sieben Hunde einfach verschwinden ließ. In die Schlagzeilen geriet er im Januar 1982, als seine Ehefrau Kathleen spurlos verschwand und nicht wieder auftauchte. Durst galt als verdächtig, wurde jedoch nie angeklagt. Sein Bruder Douglas vermutet in der Dokumentation: "Rückblickend glaube ich, dass er an ihnen übte, wie er seine Frau umbringen und entsorgen konnte." Er sagt darin auch: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass er mich umbringen würde, wenn er könnte. Er ist ein Psychopath ohne jegliche Emotionen."

"Was zur Hölle habe ich gemacht? Sie alle getötet, natürlich."

18 Jahre später wurde Susan Berman ermordet, die Vertraute und inoffizielle Pressesprecherin von Durst. Sie sollte von der New Yorker Polizei zum Verschwinden von Dursts Frau befragt werden, wurde jedoch kurz vor dem Verhör in ihrem Haus in Los Angeles erschossen. Durst konnte damals nachweisen, in der Woche des Mordes nicht in L.A. gewesen zu sein, was die Produzenten der Dokumentation allerdings widerlegten. Während einer Drehpause von "The Jinx" ging Durst auf die Toilette und vergaß offensichtlich, dass sein Mikrofon am Hemd noch eingeschaltet war. Er sagte: "Jetzt haben sie dich erwischt. Was für eine Katastrophe. Was zur Hölle habe ich gemacht? Sie alle getötet, natürlich."

Ein Geständnis? Womöglich, vielleicht aber auch nur das sarkastische Selbstgespräch eines Mannes, der sich schon mal als taube Botanikerin ausgegeben und in einer 300-Dollar-Wohnung im texanischen Galveston gewohnt hat.

Genau das übrigens führte zum Freispruch in einem anderen Fall: Durst wurde im Jahr 2001 beschuldigt, seinen Nachbarn getötet und zerstückelt zu haben. Er wurde freigesprochen, weil er nachweisen konnte, alkoholisiert gewesen zu sein und in Notwehr gehandelt zu haben. Sein Anwalt sagte damals: "Er hat in Panik gehandelt. Sein Freund ist tot, er liegt auf dem Boden einer Wohnung, die ein Milliardär gemietet hat, der sich als Frau kleidet. Wer würde diese Geschichte glauben?" Die Geschworenen glaubten diese Geschichte.

Nun also wird wieder eine Gerichtsverhandlung gegen den mittlerweile 73 Jahre alten Robert Durst vorbereitet, es gibt aufgrund der Brisanz und womöglich auch aus taktischen Gründen immer wieder Anhörungen. Kürzlich trat jener geheime Zeuge zum ersten Mal auf, der schon seit Monaten für Aufregung sorgt. Nick Chavin, ein Freund von Durst, sagte aus, dass er zum einen von (der später ermordeten) Berman bereits kurz nach dem Verschwinden von Dursts Frau Kathleen mitgeteilt bekommen habe, dass Durst dafür verantwortlich sei und beschützt werden müsse. Chavin hatte Durst stets verteidigt, sagte nun aber: "Susan hat ganz explizit gesagt, dass Robert seine Frau umgebracht hat."

Im Jahr 2014 dann habe er sich mit seinem Freund zum Abendessen in Manhattan getroffen. Die beiden seien danach auf dem Gehsteig spaziert, als Durst gesagt habe: "Ich musste es tun. Entweder sie oder ich. Ich hatte keine Wahl." Dann sei er wortlos weitergegangen: "Ich habe gesagt: 'Du wolltest doch auch über Kathleen reden.' Doch er ging einfach weg." Diese Aussage sorgte freilich für Aufregung, zumal Staatsanwalt John Lewin die Bewachung von Chavin durch Spezialkräfte so begründete: "Wenn Robert Durst in eine Ecke getrieben wird, dann bringt er Leute um."

Durst, dessen Privatvermögen auf rund 100 Millionen Dollar geschätzt wird, wollte seinen Freund überreden, sich ebenfalls von den Filmemachern von "The Jinx" befragen zu lassen. Chavin lehnte ab und riet Durst, dass die Teilnahme an dieser Dokumentation eine schlechte Idee sei. Durst ließ sich jedoch nicht davon abbringen.

Und dann ist da noch dieser Brief, auf dem "Beverley Hills" steht. Ein Beweis?

Am Abend vor der Ausstrahlung der letzten Folge, der mit dem vermeintlichen Geständnis, wurde er in New Orleans festgenommen - auch deshalb, weil die Beamten neues Beweismaterial von Regisseur Andre Jarecki erhalten hatten: ein Umschlag mit der Handschrift von Durst etwa, die große Ähnlichkeit hat mit jener eines anonymen Briefs, der im Jahr 2000 auf Bermans Leiche hingewiesen hat. In beiden Fällen ist "Beverly Hills" falsch geschrieben: "Beverley Hills". Eine erdrückende Beweislage. Oder?

Wer derzeit zu den Anhörungen ins Stadtzentrum von Los Angeles fährt, der trifft dort eine kleine Gemeinde, die sich selbst "Durstheads" nennt und Robert Durst für einen unschuldigen Exzentriker hält. Sie freuen sich auf die Gerichtstermine und fordern einen Freispruch für ihn, den sie zwar für übergeschnappt, aber eben nicht gewalttätig halten. Die Künstlerin Jamie Loftus gehört dazu, sie hat sogar einen Robert-Durst-Fankalender entworfen, der sich offensichtlich grandios verkauft. "Das sind keine guten Nachrichten über den Zustand der geistigen Gesundheit Amerikas, aber ziemlich gute Nachrichten für meine Robert-Durst-Fankunst", sagt sie. Und fügt noch an: "Freunde, wir sehen uns im kommenden Jahr vor Gericht."

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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