Urteil im Mordprozess:Was passiert jetzt mit Knox und Sollecito?

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Die eine lebt in den USA, den anderen hat die italienische Polizei kurz nach dem Urteilsspruch vor der österreichischen Grenze gestoppt. Wie geht es nach dem erneuten harten Urteil für Amanda Knox und Raffaele Sollecito weiter?

Von Lena Jakat

28,5 Jahre Haft für Amanda Knox und 25 Jahre Gefängnis für ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito: Am späten Donnerstagabend hat das Gericht in Florenz erneut ein spektakuläres Urteil im Fall der 2007 getöteten britischen Studentin Meredith Kercher gefällt. Was bedeutet die Entscheidung für die mutmaßliche Haupttäterin, die in den USA lebt? Was für Sollecito, der den Prozess in Italien verfolgte?

Ist das Urteil aus Florenz schon rechtskräftig?

Nein. Die Verteidiger von Knox und Sollecito haben unmittelbar nach der Urteilsverkündung angekündigt, Berufung einzulegen. Damit wird das Verfahren zurückverwiesen an das Kassationsgericht, das oberste Gericht Italiens. "Das kann das Urteil endgültig aufheben oder bestätigen. Dann kommt die Sache zu einem endgültigen Abschluss", erläutert Bernd Ostenryck von der deutsch-italienischen Anwaltskanzlei Lavvit in München. "Oder das Kassationsgericht verweist - ähnlich wie es der Bundesgerichtshof in Deutschland tun würde - zurück an die zweite Instanz, zum Beispiel wegen Verfahrensfehlern."

So lief es nach dem Freispruch der beiden aus dem Jahr 2011. Im März vergangenen Jahrs ordnete das Kassationsgericht einen neuen Prozess in Florenz an. Der Richter des zweiten Prozesses in Perugia habe eine "seltene Mischung aus Gesetzesverstößen und Unlogik" an den Tag gelegt und sei "vom Weg abgekommen". Völlig abwegig ist es nicht, dass die Richter im Justizpalast in Rom auch diesmal das Verfahren wieder zurück an die zweite Instanz verweisen - schließlich basierten alle Prozesse bislang allein auf Indizien, die Beweislage ist äußerst dürftig. Allerdings wäre das bereits das vierte Verfahren im Mordfall Meredith Kercher. Seit der Tat in der Studenten-WG sind bereits gut sechs Jahre vergangen.

Was bedeutet das Urteil für Amanda Knox?

Wahrscheinlich nicht sonderlich viel. Nach dem Freispruch 2011 reiste Knox nach Hause in die Vereinigten Staaten, seither lebt sie mit ihrer Familie in Seattle im Nordwesten der USA. Freiwillig wird sie nicht nach Italien zurückkehren: "Sie müssen mich fangen und zurückzerren, ich werde mich mit Händen und Füßen dagegen wehren, wieder in ein Gefängnis geworfen zu werden, in dem ich nicht zu sein verdient habe", sagte Knox vor der Urteilsverkündigung am Donnerstag dem britischen Guardian.

Gibt es kein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Italien?

Doch. Es gibt einen entsprechenden Vertrag zwischen beiden Ländern. Allerdings ist unklar, ob Italiens Justiz überhaupt einen Auslieferungsantrag stellen wird, da in diesem Fall womöglich diplomatische Verwicklungen drohen. Entschließt sich die Justiz zu diesem Antrag, gilt es als eher unwahrscheinlich, dass die USA dem entsprechen - auch wenn sich manche Juristen da nicht so sicher sind, etwa der Harvard-Professor Alan Dershowitz. "Die USA verlangen die Auslieferung von mehr Menschen als jedes andere Land der Welt. Wir versuchen, Snowden zurückzubekommen und liefern jemanden, der wegen Mordes verurteilt ist, nicht aus?", sagte der Jurist dem Nachrichtensender NBC.

Gegen die Auslieferung einer Verdächtigen - zumal einer amerikanischen Staatsbürgerin - spricht zudem der Mangel an Präzedenzfällen und der Rechtsgrundsatz Ne bis in idem ("nicht zweimal in derselben [Sache]"). Dieses Prinzip, den der angelsächsischen Rechtstradition des Common Law eine zentrale Rolle zukommt, besagt, dass niemand mehrmals für dasselbe Verbrechen verurteilt werden darf. Entsprechend heißt es in Artikel sechs des Auslieferungsabkommens der USA mit Italien: "Die Auslieferung soll nicht gewährt werden, wenn die gesuchte Person verurteilt, freigesprochen oder begnadigt worden ist, oder bereits eine Strafe abgeleistet hat, die ihr von der fraglichen Partei für dieselben Taten auferlegt wurde, für die um Auslieferung ersucht wird."

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Was geschieht mit Raffaele Sollecito?

Der 29-Jährige blieb während des jüngsten Prozesses in Italien. Knox sagte der italienischen Zeitung La Repubblica kürzlich, ihr Mitangeklagter sei viel optimistischer als sie, was den Ausgang des Verfahrens angehe. Sollecito war am Donnerstag mit seinem Anwalt im Prozess erschienen, verließ das Gerichtsgebäude in Florenz jedoch vor Verkündung des Urteils. Mit dem Strafmaß von 25 Jahren Haft ordnete das Gericht ein Ausreiseverbot für Sollecito an, sein Pass wurde wegen Fluchtgefahr eingezogen.

Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass er noch in der Nacht zwischen Udine und Tarvisio aufgegriffen worden war, nur wenige Kilometer vor der Grenze zu Österreich und Slowenien. Sollecito, der von den Medien teilweise zu Knox' liebesblinden Komplizen stilisiert wurde, hat die Tat ebenfalls stets bestritten. Wie Knox hat er bereits vier Jahre hinter Gittern verbracht. Eine Zeit, die er 2012 in seinen Memoiren "Meine Reise in die Hölle und zurück mit Amanda Knox" verarbeitete. Das neuerliche Urteil ist für den früheren IT-Studenten besonders bitter.

Was passiert als nächstes?

Raffaele Sollecito darf Italien nicht verlassen; nach seinem mutmaßlichen Fluchtversuch muss er womöglich zudem damit rechnen, von den Justizbehörden streng überwacht zu werden. Falls die italienischen Behörden Knox' Auslieferung anstreben, könnten sie bei Interpol um ein "Rote Notiz" bitten. Mit diesem internationalen Haftbefehl könnte die Amerikanerin überall auf der Welt festgenommen und nach Italien ausgeliefert werden. Das heißt, es könnte für sie gefährlich werden, sobald sie die Vereinigten Staaten verlässt. Sie wäre quasi eine Gefangene ihres Heimatlandes.

Mit Material von dpa und AFP.

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