Verschollenes Tauchboot "Titan":Suchteams haben offenbar Klopfgeräusche gehört

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Das kleine Tauchboot "Titan" hat sich am Sonntagmorgen auf den Weg gemacht, um das Wrack der "Titanic" zu erkunden. Seither wird es vermisst. Auf dem Bild ist das verschwundene Gefährt auf einer älteren Aufnahme des Unternehmens Oceangate Expeditions zu sehen. (Foto: OceanGate Expeditions/dpa)

Alle 30 Minuten haben Einsatzkräfte am Dienstag das Geräusch bemerkt - genau in der Region, in der sie das Tauchboot vermuten. Wegen dessen schlechten Zustands haben Experten schon vor Jahren gewarnt.

Bei der Suche nach dem vermissten Tauchboot Titan im Nordatlantik vor Neufundland haben Einsatzkräfte womöglich ein Lebenszeichen der Insassen vernommen. Suchteams hätten am Dienstag alle 30 Minuten eine Art Klopfgeräusch in der Region registriert, in der das Tauchboot vermutet werde, heißt es in einem internen Memo der US-Regierung, aus dem der Sender CNN und das Magazin Rolling Stone zitieren. Später, nachdem zusätzliche Sonargeräte eingesetzt worden seien, sei das Klopfen noch immer zu hören gewesen, hieß es weiter. Dem Memo zufolge war aber unklar, wann genau und wie lange das Geräusch zu vernehmen war.

In einem Update, das am Dienstagabend verschickt worden sei, soll von weiteren Geräuschen die Rede sein, die aber laut CNN nicht mehr als "Klopfen" beschrieben wurden. Die akustischen Laute deuteten darauf hin, dass es weiter Hoffnung auf Überlebende gebe, hieß es. Die US-Küstenwache teilte ebenfalls mit, dass ein kanadisches Suchflugzeug "Unterwassergeräusche" empfangen habe. Tauchroboter seien in das Gebiet verlegt worden, um den Ursprung der Geräusche zu erforschen - bislang ohne Erfolg.

Der Sauerstoff reicht noch bis etwa Donnerstagmittag

Das 6,70 Meter kleine und 10,4 Tonnen schwere Gefährt war auf dem Weg zum Wrack der Titanic und wird seit Sonntagvormittag vermisst. Nach Schätzungen der Behörden dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen - um fünf Uhr am Mittwochmorgen waren es ungefähr noch 30 Stunden.

An Bord sind fünf Menschen: der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der britische Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Kapitän ist der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush.

Ein Oceangate-Mitarbeiter bei der Arbeit im Inneren des Tauchboots "Titan". (Foto: Oceangate Expeditions/dpa)

Ein Mann, der die Expedition zur Titanic vor zwei Jahren als Tourist unternommen hat, nennt den Tauchgang rückblickend ein "Himmelfahrtskommando". In einem Spiegel -Interview beschreibt der niederbayerische Unternehmer Arthur Loibl den schlechten Zustand der Titan: Es habe Probleme mit den Batterien gegeben, Reparaturen seien nötig geworden, einen Tauchgang habe man in 1600 Metern Tiefe abbrechen müssen.

Auch die Situation an Bord der Titan dürfte laut Loibl extrem angespannt sein: "Das ist allerengster Raum, da gibt es keine Stühle, da ist nichts drin. Man sitzt zu fünft am Boden, so nah beieinander, dass sich die Beine teils überkreuzen. Da dürfen Sie keine Berührungsängste haben. Aufstehen oder Hinknien ist nicht möglich." Und weil auch damals Strom gespart werden musste, nimmt Loibl an, dass die Passagiere jetzt im Dunkeln sitzen.

Experten äußerten schon 2018 schwere Sicherheitsbedenken

Diese Beschreibungen werden untermauert von schweren Sicherheitsbedenken, die Experten der New York Times zufolge bereits vor Jahren über die Titan geäußert hatten: "Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)", schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Oceangate betreibt die Titan, der Firma wird in dem Brief irreführendes Marketing vorgeworfen. Ihr Chef Rush müsse das Boot von unabhängiger Stelle testen lassen.

Das passt offenbar zu den Eindrücken, die der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS auf einer Fahrt im vergangenen Jahr gemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. "Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller", sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, "gibt es kein Back-up, keine Rettungskapsel", sagte er. Selbst wenn das Gefährt an der Oberfläche treiben sollte, kann die Besatzung Berichten zufolge nicht aus eigener Kraft aussteigen. Das Boot wird vor dem Tauchgang von außen zugeschraubt. Das heißt, dass ein Team an der Oberfläche die Luke öffnen muss.

Experten warnten vor Optimismus. Die Geräusche seien zwar eine "wirklich gute Nachricht", sagte Mike Welham, Spezialist für Marineeinsätze und Autor, dem britischen Sender Sky News. Doch es benötige Zeit, um Spezialausrüstung und geschulte Kräfte für eine Tiefenrettung an den Einsatzort zu bringen. Die genaue Lokalisierung sei zudem ungemein schwierig: Das sei, "als würde jemand ein 50-Pence-Stück auf ein Fußballfeld legen und versuchen, es zu finden". Das Titanic-Wrack liegt in rund 3800 Metern Tiefe.

(Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/OSM.org)

Was mit dem Tauchboot passiert sein könnte - und was bei einer Bergung zu beachten ist

Das beste Szenario sei, wenn sich die Titan im Wrack der Titanic verfangen hätte, sagte der Meeresforscher Tim Taylor dem US-Sender NBC News. Denn in diesem Falle wäre das Boot am einfachsten zu finden. Experten haben indes verschiedene Theorien aufgestellt, was passiert sein könnte. Erste Hoffnungen, das Tauchboot könne nach einem Strom- oder Kommunikationsausfall zur Oberfläche getrieben sein, scheinen sich nicht bestätigt zu haben. In solch einem Fall hätte die Besatzung eigentlich ein Funkgerät zur Kontaktaufnahme verwenden können.

Wenn die "Unterwassergeräusche", die das kanadische Suchflugzeug aufgenommen hat, tatsächlich von der Titan stammen, könnten die Insassen noch am Leben seien, wie der Meereskundler Simon Boxall von der Universität Southampton der BBC sagte. "Es gibt viele Geräuschquellen im Ozean, aber es macht Hoffnung. Ein Szenario, das jeder gefürchtet hat, war, dass das Tauchboot quasi implodiert ist. Es gibt also Anlass zur Hoffnung, dass es sich immer noch um eine Rettungsaktion und nicht nur um eine Bergungsaktion handelt."

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Eine Befürchtung ist aber, dass der Rumpf beschädigt wurde und es womöglich ein Leck gibt. Das Boot scheint nicht aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen zu können. Es muss also vermutlich hochgezogen werden. "Auch wenn das Tauchboot möglicherweise noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher", sagte der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London der BBC.

Uneinigkeit gibt es unter den Experten darüber, wie einfach eine Bergung wäre. Er bezweifele, dass Rettungsgefährte an der Luke des Tauchboots festgemacht werden könnten, sagte Greig. Hingegen betonte Meeresforscher Taylor: "Das Boot vom Grund zu heben, ist nicht so schwer oder kompliziert, wie man denken könnte, wenn es noch intakt ist."

Als müsste man Mecklenburg-Vorpommern komplett durchsuchen

Am Mittwoch waren weitere Schiffe auf dem Weg in das Suchgebiet, das mit rund 26 000 Quadratkilometern größer ist als Mecklenburg-Vorpommern. Acht weitere Schiffe sollen bei der Suche helfen, dazu gehören vier Schiffe der kanadischen Küstenwache, das französische Forschungsschiff L'Atalante sowie die kanadische HMCS Glace Bay, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord habe, teilte die US-Küstenwache am Dienstagabend mit.

Verunglückte Taucher müssen nach ihrer Rettung möglichst schnell in eine solche Überdruckkammer gelangen, um bleibende Schäden zu verhindern. Wenn Menschen längere Zeit unter hohem Umgebungsdruck stehen, wie er in großer Wassertiefe herrscht, nehmen sie mehr Stickstoff auf als normal. Dies kann zu Gasblasen in Blut und Gewebe führen, die tödlich sein können, wenn sie ins Gehirn gelangen.

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