Türkischer Schlagerstar nach Attentat:Karriere nach Kopfschuss

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Der Mordanschlag auf Ibrahim Tatlises liegt erst zwei Wochen zurück. "Mir geht's super", sagt der türkische Schlagerstar, gerade erst aus dem Koma erwacht. Jetzt will er in die Politik gehen, für die Partei des Premierministers Erdogan.

Kai Strittmatter, Istanbul

Ibrahim Tatlises, kurz "Ibo", der Türken halbseidener Schlagerkönig, ist nicht unterzukriegen. Kopfdurchschuss, künstliches Koma, gerade mal zwei Wochen ist das her. Jetzt meldete sich der Sänger mit seinem "ersten Interview" in den Zeitungen, das aus zwei dem Krankenhaussprecher zugeflüsterten Sätzen besteht: "Mir geht's super. Super." Die Intensivstation hat er verlassen, die Ärzte wollen nicht ausschließen, dass er wieder wird singen können, und Fans wie Kolumnisten diskutieren die neueste Wendung: Sitzt Ibo bald im Parlament für die Regierungspartei AKP?

Zuletzt war der halbseidene Schlagerstar Ibrahim Talises auf dem absteigenden Ast. Der Mordanschlag hat ihm zu neuer Popularität verholfen. Sogar von Premierminister Tayyip Erdogan wird er jetzt umworben. (Foto: REUTERS)

Nach einer ausschweifenden Karriere als Schlagerstar war der 59-jährige Ibrahim Tatlises zuletzt auf dem absteigenden Ast. Ausgerechnet der Mordanschlag auf ihn - Tatlises war von einem Auto aus mit einem Kugelhagel aus einer Kalaschnikow eingedeckt worden - verhilft ihm nun zu neuer Popularität. Nicht nur die Freunde aus dem Showbusiness stehen Schlange vor der Klinik. Der Oppositionsführer schaute ebenso vorbei wie Premier Tayyip Erdogan. Der Premier las schon am Tag nach dem Attentat vor laufenden Kameras eine SMS von Tatlises vor.

Kurz zuvor hatte dieser sich für eine Parlamentskandidatur auf der AKP-Liste beworben. In der SMS vom Sänger an den Premier hieß es: "Ich möchte, dass Sie wissen: Mir und meinen Freunden gefällt Ihre hitzköpfige Art." Erdogan konnte beim Vorlesen seinen Stolz kaum verhehlen. Dabei ist mit manchen "Freunden" des Sängers kein Staat zu machen. Die Presse, auch die Staatsanwaltschaft, sagt dem Star Kontakte zur Unterwelt nach. Erst 2007 war er einer der Angeklagten im Prozess gegen die "Sauna-Bande", die Politiker erpresste. Schon damals wollte sich Tatlises ins Parlament wählen lassen - dort hätte er das Privileg der Abgeordnetenimmunität.

Will Erdogan nun "das Mitleid mit Tatlises in Stimmen verwandeln", wie die Webseite Gercekgündem.com vermutet? Dann könne er Tatlises gleich "zum Minister für Frauenfragen" ernennen, schlägt die Zeitung Habertürk in einem sarkastischen Kommentar vor: Mehr noch als seine zwielichtigen Freunde nehmen viele dem Sänger seine Behandlung von Frauen übel. Eine seiner Freundinnen verprügelte er einst vor laufenden Kameras, eine andere, berichtet die Presse, habe er von befreundeten Gangstern ins Bein schießen lassen.

Erst vergangenen November machte er Schlagzeilen, als er bei einem Konzert in Dalaman - in Gegenwart des Kulturministers - eine Achtjährige zum Weinen brachte: "He, du kleine Hure" begrüßte Tatlises das Mädchen von der Bühne aus. Eine Entscheidung darüber, ob der Sänger kandidieren wird, ist noch nicht gefallen. "Sein Antrag ist bei uns eingegangen", mehr wollte Premier Erdogan noch nicht sagen.

© SZ vom 30.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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