Tschechien:Tod im Schacht

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Rettungskräfte eilen zur Grube von Karviná, aber für 13 Bergleute kommt die Hilfe zu spät. Sie hatten bei der Explosion unter Tage keine Chance. (Foto: Stringer/Reuters)

Bei einem Grubenunglück in einem Steinkohle-Bergwerk nahe der Stadt Karviná sterben 13 Bergleute in 880 Metern Tiefe. Zwölf von ihnen sind Polen, einer Tscheche.

Von Oliver Klasen

Die Retter, die in 880 Metern Tiefe nach Überlebenden suchen sollten, arbeiteten die ganze Nacht durch und am Freitagmorgen weiter, doch sie hatten keinen Erfolg: 13 Bergleute sind tot. Sie starben, weil sich unter Tage ein Gemisch aus Luft und Methangas plötzlich entzündete, eine Druckwelle und ein Grubenfeuer auslöste. Wegen der extremen Hitze und der giftigen Gase, die sich im Schacht sammeln, können die Retter derzeit nicht einmal die Leichen bergen. Das wird bis zum neuen Jahr dauern, schätzen Experten. Am Freitag errichteten die Einsatzkräfte Barrieren, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Mehr können sie nicht tun.

Es ist das schwerste Grubenunglück in der Region seit Jahrzehnten. Das Steinkohle-Bergwerk liegt nahe der Stadt Karviná, in einem Abbaugebiet etwa 300 Kilometer östlich von Prag und nahe der Grenze zu Polen. Zwölf der ums Leben gekommenen Männer sind Polen, einer Tscheche, daher ist die Trauer in beiden Ländern groß. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter von einer "großen Tragödie", genauso wie sein tschechischer Kollege Andrej Babiš. Die Regierung in Warschau hat den Sonntag zum Trauertag erklärt; das Parlament in Prag hielt eine Schweigeminute ab und Ondřej Feber, der Bürgermeister von Stonava, jenem Ort, der der Katastrophe am nächsten liegt, appellierte an die Einwohner, Weihnachten in stillem Gedenken zu verbringen und an Silvester auf das Feuerwerk zu verzichten. Die ganze Region bangt noch um zwei der Kumpel, die mit schwersten Verbrennungen in einem Krankenhaus liegen. Acht Bergarbeiter wurden zudem leicht verletzt.

Grube wurde erst modernisiert

Grubenunglücke werden häufig durch sogenannte Schlagwetterexplosionen verursacht. Sie ereignen sich, wenn Methangas, das beim Kohleabbau aus dem Gestein freigesetzt wird, durch einen Funken entzündet wird. In modernen Zechen gibt es aufwendige Absaugvorrichtungen, die verhindern, dass sich eine zu hohe Methangaskonzentration bildet. Außerdem warnen Messgeräte vor einem gefährlichen Gasgemisch in der Luft, und Löschsysteme können die Ausbreitung eines Grubenfeuers eindämmen.

Warum all diese nach dem Stand der Technik möglichen Sicherungsmaßnahmen in Karviná nicht oder nicht ausreichend gegriffen haben, ist noch unklar. Die Grube, die seit 1968 betrieben wird, ist nach Angaben der Betreiberfirma OKD in den vergangenen Jahren modernisiert worden. OKD war Anfang des Jahres von der Insolvenz bedroht, doch die Regierung investierte drei Millionen Euro und rettete das Unternehmen. 9500 Arbeitsplätze blieben erhalten, wichtig in der wirtschaftlich eher schwach entwickelten Region Mähren-Schlesien. Im dortigen Revier ist der Bergbau noch immer Teil der regionalen Identität.

"Wir sind alle eine große Familie", sagte ein Bergmann, der nur durch Zufall nicht an der Unglücksstelle war und jetzt viele seiner Kollegen verloren hat, im lokalen Fernsehsender Polar TV. In Tschechien, davon geht die Regierung aus, könnte noch bis zum Jahr 2030 rentabel Steinkohle gefördert werden, anders als in Deutschland. In Bottrop wurde am Freitag die Ära des "schwarzen Goldes" mit einer Feierstunde offiziell beendet, und in die salbungsvollen Politikerreden und die Ruhrpott-Romantik mischte sich ein Moment des Innehaltens für die Toten von Karviná.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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