Trinkkultur in China:Tödliches Gelage fürs Geschäft

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Wer in China Geschäfte macht, muss trinkfest sein. Die Kultur will es, dass während der Verhandlungen gezecht wird. Manchmal so viel, dass einer stirbt.

Dominik Stawski

Ganbei heißt "das Glas trocknen". Das klingt einigermaßen komisch. Aber der chinesische Trinkspruch hat fatale Konsequenzen. Zuletzt für einen Parteifunktionär.

Alkohol gehört in China zum Geschäft. Manchen Geschäftsleuten wird er zum Verhängnis. (Foto: Foto: Reuters)

Shen Hao war Parteisekretär in Xiaogang, einem der bekanntesten Dörfer in China. Ein historischer Ort: In Xiaogang haben Bauern vor 30 Jahren ein geheimes Dokument unterschrieben und damit den Kapitalismus in China in Gang gesetzt. Die Bauern vereinbarten in dem Dokument, das Land ihres Dorfes eigenständig zu bewirtschaften. Jeder für sich. Der Ernteertrag explodierte. Die Bauern, die den Kapitalismus erprobten, wurden Helden.

Der 46 Jahre alte Shen Hao sah sich als ihr Nachfolger. Er war es, der als Parteisekretär die Entwicklung des historischen Dorfes weiter vorantrieb, die Bauern ermutigte, weiter ihr Land zu verkaufen. Er tat es bis zum vergangenen Freitag, als man ihn tot in seinem Bett fand. Berichten der Zeitung China Daily zufolge hatte Shen am Abend zuvor an einem geschäftlichen Trinkgelage teilgenommen. Es ging um Immobiliengeschäfte und Grundstücksverkäufe. Einige Geschäftsmänner wollten in dem Dorf investieren, und Shen tat alles, damit das auch klappte. Von seinen Parteigenossen wurde er nach Hause getragen. Es gibt kaum Zweifel daran, dass der der Alkohol war, der ihn umbrachte.

Shan ist innerhalb weniger Monate bereits das vierte Todesopfer in China, das ein solches Gelage nicht überlebt hat. Ein 47 Jahre alter Funktionär erlitt im Juli eine Herzanfall in Folge eines Gelages, ein anderer fiel ins Koma. Im vergangenen Jahr starb Guo Shizhong, ein weiterer Parteifunktionär, an einer Gehirnblutung. Auch er nahm an einem Geschäftessen teil, bei dem reichlich Alkohol floss. Die China Daily berichtet, dass Guo posthum als "exzellentes Parteimitglied" gewürdigt wurde, nach seinem Tod wurde er dafür ausgezeichnet, "ehrenvoll" gestorben zu sein.

Und jetzt Shen Hao. Die Londoner Times, die im vergangenen Jahr noch ein Interview mit Shen Hao führte, beschreibt den Parteisekretär als "heiter" und "rotgesichtig". Und sie schreibt, er sei Kettenraucher gewesen. Eine Kollege berichtete, Shen sei seit langem nur noch mit seinem Job beschäftigt gewesen, habe nicht auf seine Gesundheit geachtete. Im April dieses Jahres habe man bei ihm Herzprobleme festgestellt. Die Dorfbewohner sind sich aber sicher, dass ihm der Alkohol zum Verhängnis wurde.

Die Ganbei-Kultur gerät angesichts der Todesfälle in die Kritik. Befeuert wird die Diskussion dadurch, dass die Geschäftsessen mit Steuergeld finanziert werden. Umgerechnet mehr als 50 Milliarden Euro werden in China jährlich für Geschäftessen ausgegeben, fast ein Drittel des landesweiten Gastronomiekonsums. Der Großteil des Geldes wird in Schnaps investiert. Jedes Jahr werden in China fünf Milliarden Liter Spirituosen getrunken - meistens Reis- oder Hirseschnaps.

Viele chinesische Städte haben die luxuriösen Geschäftsessen wenigstens zur Mittagszeit verboten. Anders lassen sich die Gelage nicht verhindern: "Natürlich kann man auch nicht trinken", sagte ein Beamter der Times. "Aber dann wird es schwer, Geschäfte zu machen. Es ist eine unausgesprochene Regel für das Geschäftemachen. Wir haben einfach keine Wahl." Ein anderer sagt, es sei respektlos, das Trinken abzulehnen: "Wir wissen nicht, wie wir sonst Geschäfte machen sollen."

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