Toter Zweijähriger in Leipzig:Jugendamt sieht keine Versäumnisse

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Suchthilfe, Job-Center und Nachbarn sollen Monate vor der Tragödie Alarm geschlagen haben, doch die zuständige Sozialbehörde wurde nicht aktiv: Im Fall des neben seiner toten Mutter vermutlich verdursteten Zweijährigen aus Leipzig hat sich jetzt das Jugendamt zu Wort gemeldet. Dort will man von Versäumnissen nichts wissen.

Christiane Kohl, Leipzig

Der tragische Tod einer Mutter und ihres zweijährigen Kindes, das möglicherweise in einer Leipziger Wohnung verdurstete, ist Anlass für umfangreiche Untersuchungen im Jugendamt der sächsischen Stadt. Zwar wollte der Leiter des Leipziger Jugendamts Siegfried Haller auf einer Pressekonferenz am Mittwoch keine Versäumnisse seitens des Betreuungspersonals einräumen, allerdings kündigte er an, dass das Verhalten des für die Mutter zuständigen Sozialarbeiters noch genauer untersucht werde.

Dieser hatte die Wohnung der Frau, die als drogensüchtig bekannt war, offenbar seit vier Monaten nicht mehr besucht. "Momentan ist noch völlig offen, ob geltende Standards womöglich unterschritten wurden", sagte Haller.

In der Nacht zum 17. Juni war im Leipziger Stadtteil Gohlis eine 26-jährige Frau mit ihrem zweijährigen Sohn tot aufgefunden worden. Zuvor hatten Nachbarn die Polizei gerufen, da sich im Treppenhaus Verwesungsgerüche ausgebreitet hatten. Noch ist die Obduktion der Toten nicht abgeschlossen, vermutet wird jedoch, dass das Kleinkind an der Seite seiner drogensüchtigen Mutter verdurstete, die bereits Tage zuvor gestorben sein könnte.

"Keine Kindeswohlgefährung"

Seit ihrem 16. Lebensjahr war die Frau den Leipziger Behörden als drogensüchtig bekannt. Noch als Jugendliche war sie 2003 in ein Suchtkrankenhaus eingewiesen wurden; als Schwangere absolvierte sie 2010 eine Drogentherapie im Erzgebirge und wurde später in Leipzig nachbetreut, berichtete Jugendamtsleiter Haller am Mittwoch. "Die Schnittstellen zwischen Jugendhilfe und Suchthilfe griffen", heißt es in einer Erklärung des Jugendamts, die Therapie sei "erfolgreich abgeschlossen worden".

Aufgrund eines anonymen Hinweises Anfang 2011 hatte sich die Suchtberatung jedoch erneut eingeschaltet und bis Ende 2011 einen "engmaschigen Kontakt" zu der Frau unterhalten. In den ersten Monaten des Jahres 2012 gab es wieder Hinweise auf einen erneuten Drogenkonsum der Mutter, diesmal vom Jobcenter, von der Suchthilfe und vielleicht auch aus der Nachbarschaft. Der Sozialdienst sei jedoch stets zu dem Urteil gekommen, dass keine "Kindeswohlgefährdung" zu befürchten sei.

Ähnlich soll es nach dem Bericht der Stadt auch die Polizei gesehen haben, die im Februar bei einem Notarzteinsatz zugegen war. Danach hatte der städtische Betreuer die Wohnung nicht mehr besucht. Als die Polizei am 17. Juni gerufen wurde, kam jede Hilfe zu spät.

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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