Thüringen:Rührt Euch

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Ein Mitarbeiter eines Schnellrestaurants in Erfurt hat mit einer kleinen Geste eine große Wirkung erzielt.

Von Cornelius Pollmer

Gegen alles Dunkel der Welt hilft das Leuchten im Kleinen, davon erzählt das Märchen "Der kleine Tag" von Wolfram Eicke. Alle vergangenen und künftigen Tage wohnen darin an einem fernen Ort, ein jeder erzählt nach seinen 24 Stunden auf der Erde, was er vollbracht habe. Berühmt sind unter den Tagen jene, an denen Kriege begannen, Anschläge passierten, Fluten losbrachen. Zum Internationalen Feiertag aber erklären die Menschen am Ende jene 24 Stunden, an denen fast nichts passierte. Einen solchen hellen und vor allem realen kleinen Tag hat die Stadt Erfurt gerade erlebt.

Die Anteilnahme der Welt daran bemisst sich in inzwischen 4000 Likes auf Facebook. Erhalten hat diese Beilikesbekundungen ein Mann, der in ein Schnellrestaurant in Erfurt ging und von dort ein Foto mit dem Text einstellte: "Ich sitze gerade mit meiner Tochter in der Nordsee in Erfurt und weine vor Glück. Ein Mitarbeiter füttert eine ältere Dame, die es nicht mehr alleine kann. Solange es solche Menschen gibt, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen." Seither häufen sich Rührung, Bewunderung, Applaus. Eine Frau fühlt sich erinnert an einen in ihrer Familie populären Sinnspruch: "Die Welt braucht immer, heut wie morgen, die treuen Herzen, die sich sorgen." Zudem wurde der Wunsch laut, man möge den Mann als "Thüringer des Monats" auszeichnen, auch eine Abgeordnete des Thüringer Landtags unterstützt den Vorschlag. Sie habe den Mann selbst stets als zugewandt erlebt, "solche Vorbilder brauchen wir".

Zu Wort gemeldet haben sich inzwischen auch die Enkel der Frau, die seit einem Unfall vor langer Zeit ihre Hände nicht mehr bewegen kann, von der sie aber sagen: "Oma kriegt mit ihrem Charme jeden rum." Wen sie im vorliegenden Fall rumgekriegt hat, war bald zu erfahren: Genio Zukrigl selbst schaltete sich in die Diskussion ein, er sagte "mal ganz einfach Dankeschön". Auf dem kurzen Dienstweg bedankte sich bereits Zukrigls Chefin bei ihrem Mitarbeiter. Weil er die ältere Dame am Donnerstag in seiner Pause versorgt hatte, wurde ihm die Zeit gutgeschrieben.

Die größeren Tage und kühleren Geister mögen nun einwenden, man müsse die doch selbstverständliche Hilfe von Genio Zukrigl nicht zur Heldentat parfümieren. Der kleine helle Tag in Erfurt erzählt dennoch zweifellos etwas über die Gegenwart; dass die Sehnsucht nach solchem Handeln, nach Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft nach wie vor groß sind. Das ist die Botschaft, die der 8. Juni 2017 aus Erfurt mit zu den anderen Tagen nimmt.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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