Sexueller Missbrauch unter Kindern?:Schatten über Sylt

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In einer Sylter Fachklinik für übergewichtige Kinder soll es zu Vergewaltigungen unter Minderjährigen gekommen sein. Der Klinikbetreiber weist erst alle Schuld von sich - und rudert dann zurück.

Der Missbrauchsskandal in einer Fachklinik für übergewichtige Kinder auf Sylt wird nun auch vom Klinikbetreiber DAK ernster eingeschätzt. "Die Kasse stellt klar, dass der zunächst verwendete Begriff von "erweiterten Doktorspielen auf freiwilliger Basis' unrichtig und unangemessen war", teilte ein Sprecher mit. Die DAK bedauere die Vorkommnisse "auf das Allertiefste".

Das DAK-eigene 'Haus Quickborn' in Westerland auf Sylt: In dieser Abnehm-Klinik für übergewichtige Jugendliche soll es unter den Minderjährigen zu sexuellen Übergriffen gekommmen sein. (Foto: dpa)

Zu den Übergriffen soll es im Juli und August in einer Gruppe mit 16 Kindern gekommen sein. Einem Bericht des Bielefelder Westfalen-Blatts zufolge soll es unter den neun bis 13 Jahre alten Jungen unter anderem zu Oral- und Analverkehr gekommen sein. Das Blatt beruft sich auf ein internes Papier der DAK vom 24. August. Danach hätten Rädelsführer das Spiel Flaschendrehen mit sexuellen Handlungen kombiniert und "Aufgaben" für "Schwulenabende" gestellt.

Nach Angaben der Kinder sollen das erst Küsse und Zungenküsse gewesen seien, später soll es auch zu schweren Übergriffen gekommen sein. Dem Bericht zufolge waren 13 der 16 Kinder beteiligt. Drei Jungen hätten sich geweigert mitzumachen, dann aber Schmiere stehen müssen. Wer die "Aufgaben" nicht erfüllte, sei als Angsthase oder Spielverderber beschimpft worden, berichtet die Zeitung.

Die Mutter eines elfjährigen Jungen aus Paderborn habe Strafanzeige gestellt. Ihr Junge sei mit Schlägen zu den Handlungen gezwungen worden, berichtet die Frau. Die Staatsanwaltschaft Flensburg untersucht jetzt die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und der Verletzung der Aufsichtspflicht. Ob inzwischen weitere Anzeigen vorliegen, konnte Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt am Mittwoch nicht sagen. Rechtsanwalt Carsten Ernst aus Bielefeld hatte am Dienstag erklärt, mindestens sieben weitere Mütter hätten angekündigt, aussagen zu wollen.

Die Zahl von Sexualdelikten unter Jugendlichen hat sich nach Angaben des Sexualpädagogen Bernd Priebe in den vergangenen 20 Jahren bundesweit mehr als verdoppelt. Das Thema Sexualität in pädagogischen Einrichtungen dürfe nicht länger tabuisiert werden, sagte der Leiter der Hamburger Beratungsstelle "Wendepunkt" für jugendliche Täter am Rande der Fachtagung "Sexuelle Grenzverletzungen unter Jugendlichen" in Lüneburg. Bereits im Juli waren Fälle sexuellen Missbrauchs in einer Jugendgruppe während einer Ferienfreizeit des Stadtsportbundes Osnabrück auf der holländischen Insel Ameland bekannt geworden.

© SZ vom 16.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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