Stuttgart:Tödliche SMS?

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Eine 19-Jährige, die zwei Radfahrer umfuhr, steht vor Gericht. Kurz vor dem Unfall schrieb die Frau noch SMS.

Vorsicht, Lebensgefahr: Wer Auto fährt, soll dringend die Finger vom Handy lassen. Um junge Menschen mit seiner Botschaft zu erreichen, trat Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vergangene Woche gemeinsam mit Christian Gentner auf, dem Kapitän des VfB Stuttgart. Zusammen beteiligten sie sich an einer Aufklärungskampagne des Bundesverkehrsministeriums, und sie konnten eindrucksvolle Zahlen vorweisen. Das Wählen während der Fahrt erhöht das Unfallrisiko demnach um das Drei- bis Sechsfache, das Schreiben von Textnachrichten sogar um das 23-Fache. Europaweit kommen jährlich rund 3500 Menschen ums Leben, weil die Fahrer am Steuer mit dem Handy telefoniert oder eine Nachricht geschrieben haben. Kern der Aufklärungskampagne, die von mehreren Sportvereinen aus Baden-Württemberg unterstützt wird, ist ein Kurzfilm: Ein SMS-schreibender Autofahrer verursacht in dem Clip einen Unfall.

Der Unfall geschah auf schnurgerader Strecke und an einem hellen Sommertag

In dem Prozess, der an diesem Dienstag am Landgericht Stuttgart begann, ist diese Szene traurige Realität - zumindest nach Darstellung der Staatsanwaltschaft. Der Anklage zufolge war eine damals 19 Jahre alte Autofahrerin im August 2014 von Nachrichten auf ihrem Handy abgelenkt, als sie zwischen Weil der Stadt und Renningen (Kreis Böblingen) zwei Rennradfahrer rammte. An einem hellen Sommertag, auf schnurgerader Strecke. Sie habe zu dem Zeitpunkt Whatsapp-Nachrichten geschrieben, glaubt der Staatsanwalt. Danach fuhr sie weiter, ohne sich um die Opfer zu kümmern oder Hilfe zu holen. Einer der Radfahrer starb im Hubschrauber auf dem Weg ins Krankenhaus, der andere überlebte schwer verletzt. Nur mehreren Operationen hat es der Mann zu verdanken, dass er nicht querschnittsgelähmt blieb. Die Anklage lautet unter anderem auf versuchten Mord durch Unterlassen in zwei Fällen und auf fahrlässige Tötung.

Zu Prozessbeginn entschuldigte sich die junge Frau. Allerdings widersprach sie der Darstellung der Staatsanwaltschaft. Auf ihrem Smartphone habe sie die letzten Nachrichten an einer Ampel kurz vor dem Unfallort verschickt und danach das Handy nicht mehr in die Hand genommen. An das Unfallgeschehen habe sie keine Erinnerung mehr. Sie könne sich als nächstes nur noch an einen Knall erinnern, woraufhin ihr schwarz vor Augen geworden sei. Hysterisch sei sie weitergefahren und habe schließlich ihre Schwester angerufen, die wiederum die Polizei verständigt habe. Zu dem Zeitpunkt waren allerdings schon Rettungskräfte am Unfallort.

Die Witwe des getöteten Mannes nennt den Unfall "völlig unnötig". Der schwer verletzte Radfahrer sagt: "Was mich persönlich verletzt, ist, dass nicht angehalten worden ist." Sein Lendenwirbel wurde zertrümmert. Seiner großen Leidenschaft, dem Sport, kann er nicht mehr nachgehen.

Bei der Urteilsfindung geht es letztlich um zwei Textnachrichten, die die Angeklagte verschickte. Wann genau wurden sie abgesetzt? Das Gericht hat drei weitere Verhandlungstermine angesetzt. Das Urteil soll am 19. November fallen.

© SZ vom 11.11.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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