Stuttgart:Rätsel in der Villa

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Die Polizei stürmte am Montagabend eine Kanzlei in Stuttgart, wo ein Anwalt vermutlich von einem Mandanten ermordet wurde. Der Täter richtete sich danach selbst. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Ein prominenter Anwalt wird in Stuttgart erschossen, der Täter tötet sich anschließend selbst. Warum, ist bislang noch völlig unklar. Zeitweise waren 300 Polizisten des Spezialeinsatzkommandos im Einsatz.

Von Max Hägler, Stuttgart

Am Tag danach stecken vier rote Rosen im Briefkasten. Ein blondes Mädchen im Grundschulalter legt einen weißen Umschlag vor der Tür ab, ein Nachruf, wahrscheinlich von den Eltern geschrieben, dann läuft die Kleine weiter und murmelt leise: Es ist ein Mord passiert, es ist ein Mord passiert. So als ob sie es nicht ganz begreifen kann. Tatsächlich ist das hier keine typische Gegend für Gewaltverbrechen: Zwei Straßen weiter residiert der Ministerpräsident, um die Ecke gibt es eine noble Kinderkrippe namens "Kindervilla", dazu Architekturbüros und Anwaltskanzleien. Gediegen ist auch dieses Haus, dessen Fassade hinter allerlei Grün verschwindet und das zu einem Tatort wurde, hier im Osten von Stuttgart.

Die Ehefrau flüchtete noch vor dem Täter und alarmierte die Polizei

Was genau vorgefallen ist, weiß die Polizei auch einen Tag später noch nicht, aber fest steht, zumal nach der erfolgten Obduktion: Ein Mann wurde in seiner Kanzlei ermordet, der Täter hat sich hernach selbst erschossen. Das Verbrechen begann am Montagmittag: Die Ehefrau des Opfers bemerkte, dass der Gast des Hauses eine Pistole bei sich trug, flüchtete aus der Villa zu Nachbarn und verständigte gegen 13 Uhr die Polizei. Die Polizisten läuteten dann vergeblich an; einfach so hineingehen wollten sie nicht, angesichts der "unklaren Bedrohungslage". Bald hielten 300 Beamte das Haus umzingelt - bis sie es am Spätnachmittag stürmten und die zwei Leichen im Keller fanden. Möglicherweise hat ein Mandant, ein 67-Jähriger aus dem hessischen Offenbach, seinen Rechtsanwalt erschossen, einen recht bekannten zumal.

Der 75 Jahre alte Jurist war zwar nicht unbedingt Promi-Anwalt, wie es nun oft heißt, aber er hatte selbst gewisse Prominenz erlangt, zumindest in Fachkreisen und beim Stuttgarter Boulevard: Er pflegte einst ein überaus enges Verhältnis zu seiner Schwiegermutter, das auch Thema eines Strafprozesses wurde. Sie war vor zehn Jahren zu einer Gefängnisstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden, nachdem sie ihren Schwiegersohn bei einem eigentlich einvernehmlichen Fesselspiel derart gewürgt und geschlagen hatte, dass er lebensgefährlich verletzt wurde.

Bei dem Vorfall jetzt sei noch kein klares Motiv auszumachen, sagt Staatsanwalt Jan Holzner. Fest stehe, dass sich Täter und Opfer seit Längerem kannten. Der Täter sei der Polizei bis zu seinem Tod nie aufgefallen. Einen Bezug zu der eigenartigen Vorgeschichte, über die in der Stadt jetzt alle wieder reden, könne man bisher nicht feststellen. Es deute hingegen einiges darauf hin, dass ein Streit um Geld Anlass der Tat gewesen sein könnte. Die Polizei versucht nun, das Umfeld des Mannes zu erhellen. Sollte es keine weiteren an der Tat Beteiligten geben, werden die Ermittlungen bald eingestellt: Wenn ein Einzeltäter tot sei, habe sich die Sache aus juristischer Sicht eigentlich erledigt, sagt Staatsanwalt Holzner.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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