Sturmtief "Daisy":Deutschland unter der Schneedecke

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"Daisy" zieht über Deutschland - das befürchtete Chaos blieb bisher aus. Meteorologen sagen aber auch für Sonntag kein Ende von Schnee und Sturmböen voraus.

Sturmböen, blockierte Straßen, zugeschneite Schienen: Tief Daisy hat am Samstag über ganz Deutschland eine Schneedecke ausgebreitet, doch das große Chaos blieb aus.

Spaziergänger in Hamburg stemmen sich an der Aussenalster gegen eine Windböe -Tief "Daisy" sorgt Deutschlandweit für Schnee und Eisglätte. (Foto: Foto: ddp)

In einigen Regionen herrschten Sturm und Eisglätte, vielerorts lief aber auch alles normal. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) meldete vom Westen bis zum Nordosten ein großflächiges Schneefallgebiet, das sich langsam den Norden erobere. Die Schneehöhen lagen bei zum Teil nur wenigen Zentimetern bis zu 170 Zentimetern auf der Zugspitze, Deutschlands höchstem Berg. Neuschnee gab es teilweise bis zu 30 Zentimeter.

"Eine geschlossene Schneedecke in ganz Deutschland - das ist sehr selten", sagte DWD-Meteorologe Bernd Zeuschner. Wann es zuletzt eine gab, konnte der DWD aber nicht sagen.

Jörg Kachelmann vom Wetterdienst Meteomedia sagte, es gebe eigentlich keine richtig geschlossene Schneedecke. Im Saarland oder dem Süden Baden-Württembergs sei es nicht ganz weiß. Kachelmann, der stets vor Aufgeregtheit gewarnt hatte, nannte die Wetterlage vergleichsweise harmlos. "Das ist Nichts im Vergleich zu '62/'63 oder '78/'79", ordnete er ein.

Stockender Verkehr

Auf vielen Autobahnen stockte am Samstag dennoch der Verkehr. Bundes- und Landstraßen waren unpassierbar. Es kam zu hunderten Autounfällen bei denen es meistens bei Verletzten blieb. In der Nacht war beim Zusammenstoß zweier Autos in Übach-Palenberg (Nordrhein-Westfalen) ein Mann ums Leben gekommen.

Für 300 bis 400 Lastwagenfahrer an der deutsch-französischen Grenze im baden-württembergischen Neuenburg normalisierte sich die Lage am Samstag wieder, nachdem die französischen Behörden die auf der Autobahn 5 gestauten Lastwagen wieder über die Grenze ließen. Seit Freitagabend hatten die Fahrer bei Minus-Temperaturen ausgeharrt. Helfer hatten sie mit Decken und Tee versorgt.

Auf Bayerns Straßen blieb das befürchtete winterliche Verkehrschaos weitgehend aus. Wie Sprecher von Polizei und ADAC auf ddp-Anfrage sagten, kam es zwar im Freistaat in der Nacht und im Laufe des Samstags immer wieder zu Unfällen auf eis- und schneeglatten Straßen, bei denen zahlreiche Verkehrsteilnehmer verletzt wurden. Massenkarambolagen gab es aber nicht. Am Samstagmorgen war die A 96 nach einem Unfall zwischen Schöffelding und Windach kurzzeitig gesperrt. Auch die A 3 war bei Weibersbrunn in Richtung Süden am Mittag mehrere Stunden gesperrt.

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:Erfrischende Wetterlage

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Auch Flüge wurden abgesagt - auf Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt fielen bis zum Nachmittag mehr als 220 Flüge aus, was etwa einem Fünftel aller dort geplanten Flüge entsprach. Am Nürnberger Flughafen war der Flugverkehr am Freitagabend nach dem Unfall mit einer Maschine für mehrere Stunden eingestellt worden.

Auch im Zugverkehr gab es Verspätungen und Ausfälle, vor allem im Osten der Republik; Bahnen kamen nur schwer oder nicht mehr durch, weil Oberleitungen und Weichen von Schnee verweht waren. Tausende Reisende waren Leidtragende. "Wir sind stabil unterwegs", sagte der Sprecher. Auf den Anzeigetafeln im Berliner Hauptbahnhof waren allerdings zeitweise über die Hälfte der Züge mit bis zu 90 Minuten Verspätung angekündigt.

Katastrophale Lage auf Ostseeinsel Fehrmann

Dramatisch war die Situation auf der Ostseeinsel Fehmarn. Die Lage sei katastrophal, sagte der dortige Bürgermeister, Otto-Uwe Schmiedt. Besonders betroffen waren der Norden und der Osten der Insel, die etwa 13.000 Einwohner hat. Laut Bewohnern türmten sich Verwehungen bis zu einer Höhe von zwei Metern auf. "Die Verbindungen zwischen den 42 Dörfern auf der Insel sind blockiert und praktisch nicht mehr passierbar."

Im Harz wurde wegen starken Sturms der Betrieb der Seilbahnen in den Ski-Orten Braunlage und Hahnenklee eingestellt. Dort wurde Wind bis zur Stärke zehn gemessen. Im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb konnten sich die Liftbetreiber indes über regen Zulauf freuen.

Die Meteorologen gaben am Samstag noch keine Entwarnung. Der Deutsche Wetterdienst kündigte für die Nacht zum Sonntag weitere Schneefälle für weite Teile Deutschlands an. Für den Abend und die Nacht sagte der Wetterdienst vor allem in den Mittelgebirgen, im Norden und im Osten weitere Schneefälle voraus mit bis zu zehn Zentimetern Neuschnee. Bei zum Teil stürmischem Nordostwind müsse mit Schneeverwehungen gerechnet werden. Für die Ostseeküste wurden schwere Sturmböen um 100 km/h angekündigt.

In ganz Europa kämpften die Menschen mit heftigem Niederschlag: In Belgien kostete heftiger Schneefall einen Autofahrer das Leben. Der Mann verlor am Samstag in Genappe südlich von Brüssel auf glatter Straße die Kontrolle über sein Fahrzeug.

Fünf Tote im Nordkaukaus

In den Bergen im Südwesten der Ferieninsel Mallorca schneite es, auch auf der Nachbarinsel Ibiza gab es starken Regen. Galicien im Nordwesten Spaniens erlebte die schwersten Schneefälle in 25 Jahren.

Schneefall brachte auch dem Osten Tschechiens ein Verkehrschaos. Im russischen Nordkaukasus tötete eine Lawine fünf Bergsteiger. In Polen führte starker Schneefall zu Staus und Sperrungen. In Schlesien fiel für 14.000 Menschen der Strom aus.

Im Süden Frankreichs waren am Samstag noch immer 15.000 Haushalte ohne Strom. Schnee störte auch dort Schienen- und Flugverkehr. Am Pariser Flughafen Charles de Gaulle sollte am Samstag ein Viertel aller Flüge ausfallen. Der Flughafen von Toulouse war am Vormittag komplett gesperrt.

Streusalz-Mangel in England

In Großbritannien stieg die Zahl der Winter-Toten weiter an. Zwei Männer starben im mittelenglischen Leicester, nachdem sie am Freitag auf einem zugefrorenen See eingebrochen waren, teilte die Polizei mit. Eine 90-Jährige wurde erfroren in ihrem Garten gefunden, sie war wahrscheinlich im Schnee ausgerutscht, berichtete der Sender BBC am Samstag. Insgesamt sind seit dem Wintereinbruch vor Weihnachten mindestens 25 Menschen gestorben.

Ein Ende der ungewöhnlich eisigen Zustände ist nicht in Sicht. In der Nacht zu Samstag waren die Temperaturen unter anderem in Schottland auf bis zu minus 14 Grad gesunken. Tagsüber fegte dann ein heftiger Schneesturm auch über London, der in der Nacht dem Südosten Englands weiteren Schnee bringen soll.

Mittlerweile wurde auch das Streusalz knapp. Die Regierung hatte bereits Salz aus dem Ausland geordert, doch dieses soll nicht vor dem 21. Januar ankommen. Auch im Bahn- und Flugverkehr kam es wieder zu Behinderungen. So strich British Airways am Samstag fast 60 Flüge auf dem Flughafen London-Heathrow.

In Italien führten Flüsse wie der Tiber weiter Hochwasser, auch wenn es für die Hauptstadt Rom Entwarnung gab. In Norditalien schneite es weiter. Im Apennin und den venezianischen Dolomiten herrschte auch am Samstag weiter Lawinengefahr. Frühlingshaft war es derweil in Bulgarien. Dort wurden am Samstag weiterhin für Januar ungewöhnlich hohe Temperaturen gemessen: bis zu 20,1 Grad.

© dpa/ddp-bay/AFP/fvk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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