Um 7.06 Uhr am Sonntagmorgen waren Teile Südamerikas plötzlich ohne Licht. In Argentinien und Uruguay, aber auch in Nachbarländern saßen bis zu 50 Millionen Menschen ohne Strom da. Buenos Aires lag im Dunkeln, die U-Bahn blieb stecken, Züge im Nahverkehr fuhren nicht weiter, es kam stellenweise kein Wasser mehr aus den Leitungen, weil elektrische Pumpen streikten. Ampeln fielen aus, an Tankstellen versagten die Zapfsäulen. Kurze Zeit später teilte der Energieversorger Edesur auf Twitter mit: Es handele sich um eine "schwere Störung im Durchleitungssystem", ohne einen weiteren konkreten Grund zu nennen. Die uruguayische Energiebehörde UTE bestätigte sogleich, die Argentinier seien Schuld.
Im Süden Südamerikas beginnt gerade der Winter, weshalb sich die Störung kräftig bemerkbar machte, nicht nur das Licht blieb weg, auch die ohnehin spärlichen Heizungen fielen aus. Da apagones, Stromausfälle, wegen der maroden Leitungen aber seit jeher ein Problem sind in Argentinien, haben viele Geschäftsleute, Einrichtungen und Ladenbesitzer beizeiten Vorkehrungen getroffen und Notversorgungen aufgebaut. Deshalb brach nicht das ganze öffentliche Leben zusammen.
Daniel Russo, Sprecher des Zivilschutzes in Argentinien, versicherte am Sonntagvormittag, "in sechs sieben Stunden sind die größten Teile des Systems wieder da". Gegen Mittag hieß es, allmählich kehre die Elektrizität zurück. Uruguays Energieversorger UTE twitterte gegen Mittag, das Stromnetz sei von Grund auf neu gestartet worden. Einige Küstenstädte hätten bereits wieder Strom, an der vollständigen Wiederherstellung arbeite man weiter.
Den Argentiniern hat der Stromausfall gründlich den Vatertag versaut, der dort auf den Sonntag fiel. Die fußballbegeisterten Uruguayer bangten bis zum Abend, dass der Strom wieder da sein möge zur Übertragung des Spiels gegen Ecuador im Rahmen der Copa América. Wäre der apagón nicht an einem Sonntagmorgen erfolgt, so viel ist klar, wären die Auswirkungen sehr viel drastischer gewesen. Immerhin konnte die Stimmabgabe bei der Kommunalwahl in einigen Provinzen zwar holprig, aber wie geplant beginnen, denn in Argentinien gibt es bei diesen Abstimmungen noch keine elektronischen Systeme.
Der Energieverbrauch des Mittelstands und der Industrie ist zuletzt stark angestiegen
Argentinien und Uruguay beziehen einen großen Teil ihres Stroms aus Wasserkraftwerken am Rio Paraná, sie sind das Herz der Energieversorgung des Großraums Buenos Aires mit seinen mehr als 15 Millionen Einwohnern. An Mutmaßungen über Ursachen mangelte es nicht, aus dem Norden Argentiniens waren leichte Erdstöße gemeldet worden, doch schlossen Fachleute aus, dass der Blackout daher kommen könne. Auch wurden Teile des Landes von schweren Unwettern heimgesucht, Stromausfälle bei Regen waren in Argentinien noch in den 1990er-Jahren Alltag. Deshalb wissen die meisten Argentinier, wie sich apagones anfühlen, allerdings haben sie nie einen Ausfall dieser Größenordnung erlebt.
Einen Blackout solchen Ausmaßes gab es zuletzt 2009 in Brasilien nach Störungen in einem Wasserkraftwerk. Die Regierung in Brasília beschloss daraufhin den Bau mehrerer neuer Kraftwerke in Amazonien, um den stark gestiegenen Strombedarf zu decken - was entsprechende Konflikte mit Naturschützern mit sich gebracht hat. Insgesamt erweisen sich die Energienetze lateinamerikanischer Länder immer wieder als überfordert, um mit der sprunghaften wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung mit einem stark gestiegenen Bedarf an Strom durch Digitalisierung und Haushaltselektronik standzuhalten. Der Energieverbrauch des Mittelstands und der Industrie hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Erst vor wenigen Wochen war Venezuela von massiven Stromausfällen betroffen - Regierung und Opposition schoben sich danach die Schuld zu, überzogen einander mit Vorwürfen der Sabotage.
Davon war in Argentinien am Sonntag zunächst nicht die Rede. Jeder Argentinier weiß, dass die Infrastruktur in seinem Land ebenfalls einiges aufzuholen hat. Der liberal-konservative Präsident Mauricio Macri hatte bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren erklärt, er werde Abhilfe schaffen und das Land nachhaltig modernisieren - und ist daran genauso gescheitert wie die meisten seiner Vorgänger.
Im Oktober finden Präsidentschaftswahlen statt, ob der Stromausfall dann noch eine Rolle spielt, ist die Frage, denn das Land leidet unter allen möglichen Mängeln, allen voran einer schweren Wirtschaftskrise, Inflation, Arbeitslosigkeit und Kriminalität.