Stilkritik:Alte Klamotten

Die Kanzlerin trägt ein altes Outfit nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder auf - und Stilexperten sind außer sich.

Von Martin Zips

In "Die Ferien des Monsieur Hulot", dem Meisterwerk des Komikers Jacques Tati, ist folgende elf Sekunden kurze Szene zu sehen: Zwei Französinnen treten gleichzeitig aus ihren Hotelzimmern und stellen fest, dass sie das absolut identische Gewand anhaben. Entsetzt machen sie kehrt und verschwinden wieder in ihren Zimmern. Wie viel Tragik atmet diese Szene! Die Erreichung individueller Anmut ist eben ein harter, stressiger, oft teurer Kampf - nicht nur unter Frauen. Der deutschen Kanzlerin wäre es im Urlaub vermutlich schnurzegal, wenn sie auf dem Weg in den Südtiroler Speisesaal eine Dame träfe, die genauso gekleidet ist wie sie. Auch beim Wandern trägt Merkel seit Jahren die selbe rote Bluse. Doch nun haben Stilexperten während der Salzburger Festspiele an ihr den bunten Kimono wiederentdeckt, in dem sie (laut Bild) schon seit 23 Jahren unterwegs ist. Ja und? Der Deutsche trägt halt gern altes Zeugs auf. Ist doch ein hübscher Zug von ihm! Und wer ständig neuen, teuren Fummel braucht, der soll doch nach Paris fahren.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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