Stadtarchiv in Köln:Kopflos nach der Katastrophe

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Das Desaster von Köln ist eine Katastrophe der lokalen Politik - und ausgerechnet Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma wirkt nach dem Einsturz überfordert.

Dirk Graalmann

Der Terminus "politische Verantwortung" steht in keinem Gesetzbuch. Dennoch gehört der Begriff - ganz egal, ob es sich um irgendein Fehlverhalten oder um eine größere Katastrophe handelt - zum gängigen Vokabular, wenn über mögliche Konsequenzen diskutiert wird. Die Geschichte der Bundesrepublik ist reich an Menschen, die politische Verantwortung übernommen haben und zurückgetreten sind, selbst wenn sie an den Geschehnissen selber nicht beteiligt waren.

Nach dem Einsturz des Stadtarchivs unter Druck: Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). (Foto: Foto: Getty)

Es geht bei der Frage der politischen Verantwortung nicht zwangsläufig um eigene unmittelbare Verstrickung. Wer auf welche Art möglicherweise schuldhaft verstrickt ist in den Zusammenbruch des Kölner Stadtarchivs, ist auch mehrere Tage nach dem Unglück offen. Die Indizien, dass der Bau der Nord-Süd-Bahn unterhalb der engen und belebten Südstadt in Zusammenhang mit dem Unglück steht, verdichten sich. Eine mögliche strafrechtliche Haftung prüft die Kölner Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens.

Politische Verantwortung zu übernehmen heißt dagegen nicht zwangsläufig, eine persönliche Schuld einzuräumen. Es ist vielmehr ein letzter Akt der Führung, der durchaus honorigen Bereitschaft, sich verantwortlich zu erklären. Doch im Fall der Kölner Tragödie, die neben dem befürchteten kulturellen Verlust auch zwei Menschen das Leben gekostet haben könnte, ist von Verantwortung (noch) nicht die Rede.

Der Rat der Stadt Köln hat die Errichtung der umstrittenen Nord-Süd-Bahn beschlossen, die stadteigenen Kölner Verkehrsbetriebe wurden vom Rat mit dem Bau beauftragt; die Katastrophe von Köln ist somit eine Katastrophe der lokalen Politik. Die Kosten für das rund vier Kilometer lange Bauwerk sind in den vergangenen Jahren von kalkulierten 600 Millionen Euro auf etwa eine Milliarde Euro explodiert; der Bau führte zu kleineren und größeren Schäden an Hunderten Gebäuden - all das blieb in Köln ohne gravierende Folgen.

Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), seit knapp neun Jahren im Amt, ist nicht nur erster Repräsentant der Stadt, sondern auch ihr Verwaltungschef. Politische Verantwortung hat auch etwas mit politischer Führung zu tun. Doch diesen Anspruch hat der Oberbürgermeister der viertgrößten deutschen Stadt offenbar aufgegeben.

Als am Freitag eine Art großer Krisenstab mit allen Verantwortlichen zusammentrat, um die Lage zu analysieren, fehlte ausgerechnet Schramma. Der 61-Jährige war nach Österreich gefahren, um seine Frau aus dem Urlaub abzuholen. Schramma, ein überaus freundlicher und aufgrund seiner großen Volksnähe durchaus beliebter Repräsentant der Stadt, wirkt in dieser Ausnahmesituation hilflos und überfordert.

Dabei bräuchte Köln, bräuchten die Menschen in dieser Stadt, derzeit nichts mehr als eine starke Führung, die das erschütterte Vertrauen wieder herstellen kann. Stattdessen wird es derzeit auf allen Ebenen weiter verspielt.

© SZ vom 07.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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