Spanien:Tod durch Unterzucker

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Ein Mann verweigert seiner zuckerkranken Freundin Hilfe und filmt stattdessen ihr Sterben.

Von Thomas Urban, Madrid

Der 49-Jährige sah, wie seine Lebensgefährtin wankte, auf den Boden glitt und sich vor Schmerzen krümmte. Mit erstickter Stimme flehte sie ihn an, ihm ein Glas Cola zu geben, doch er gab es ihr nicht. Sie schnappte nach Luft, das Zucken ihres Körpers wurde immer schwächer, bis sie regungslos dalag. Doch anstatt den Notarzt zu rufen, filmte er die letzten Minuten der Frau mit seinem Handy. Erst drei Stunden später rief er beim Notdienst an, die Ärzte konnten nur den Tod der Frau feststellen. Das geschah im Juni in Viladecans, einem Vorort von Barcelona, Spanien.

Anfangs habe sie vom Charme des Argentiniers geschwärmt

Bei der Obduktion stellten die Gerichtsmediziner fest, dass die 42-jährige Diabetikerin den Folgen einer Unterzuckerung erlegen ist. Auch entdeckten sie am Körper blaue Flecken, die auf Schläge hindeuteten. Bei der Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmte die Polizei routinemäßig das Handy des Lebensgefährten. Da die Experten überlastet waren, nahmen sie sich das Handy erst in der vergangenen Woche vor - und fanden die Filmsequenz von der Agonie der Frau. Ein Glas Cola hätte ihren Blutzuckerspiegel angehoben, sie wäre wieder zu Kräften gekommen.

Kollegen und Verwandte der Frau traten am Wochenende vor die Presse. Sie sagten aus, dass das Paar ganze vier Monate zusammen gewesen sei. Sie hatten sich in einer Bar kennengelernt, in der sie als Kellnerin arbeitete. Anfangs habe sie vom Charme des Argentiniers geschwärmt, dieser sei gesellig gewesen und habe als guter Witzeerzähler seine Nachbarn für sich eingenommen. Doch nach zwei Monaten habe sie einer Kollegin gestanden, dass ihr neuer Gefährte extrem eifersüchtig sei und sie rund um die Uhr kontrolliere. Sie wolle die Beziehung beenden. Doch das tat sie nicht. Mehrmals sei sie mit blauen Flecken zur Arbeit gekommen, am Tag vor ihrem Tod sogar mit einem blauen Auge.

Dem Mann drohen viele Jahre Gefängnis

Doch sie behauptete stets, sie habe sich gestoßen oder sei gefallen. Dem Notarzt gegenüber hatte der Mann angegeben, er habe an ihrem Todestag lange geschlafen; seine Gefährtin habe er am Vormittag tot vorgefunden, der Körper sei bereits kalt gewesen. Später konnte ihm jedoch nachgewiesen werden, dass er kurz nach dem festgestellten Todeszeitpunkt einen Mietwagen abgegeben hat.

Auf dem Handy fanden die Ermittler auch eine Art Verhör, das der Mann ein paar Tage vor dem Tod der Frau aufgenommen hatte. Er fragt sie drohend: "Und wie fühlst du dich jetzt?" Sie antwortet: "Wie soll ich mich fühlen nach der Tracht Prügel, die du mir verabreichst hast." Dem Mann, den die Polizei in der vergangenen Woche festnahm, drohen viele Jahre Gefängnis wegen Totschlags, unterlassener Hilfeleistung und Misshandlung. Die Untersuchung ergab, dass er den Film von ihrer Agonie nicht im Internet hochgeladen hatte. Er hatte die Bilder vom Tod seiner Lebensgefährtin für sich behalten. Sie hinterlässt einen 13-jährigen Sohn aus einer früheren Verbindung. Die spanischen Behörden registrierten in der vergangenen Woche landesweit sieben Fälle von Totschlag in einer Partnerschaft, Opfer war jedes Mal die Frau.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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