Spanien:Strafe bei Hungerstreik

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In Madrid demonstrieren acht Frauen gegen häusliche Gewalt in einem Zelt. Dann kommt die Stadtpolizei.

Von Thomas Urban, Madrid

In Madrid haben acht Frauen einen Hungerstreik begonnen, die Stadtpolizei wurde bereits aktiv, mehrere Verwarnungen in saftiger Höhe wurden ausgestellt, die internationalen Medien berichten. Nur ging es dabei eigentlich kaum mehr um den Hungerstreik und seine Ziele. Aber der Reihe nach.

Auf der Plaza del Sol, dem Sonnenplatz im Herzen Madrids, liegt ein riesiges rotes Friedenszeichen, es wurde aus Hunderten verschlissenen Frauenschuhen in roter Farbe gelegt. Ein Kreis aus weißen Totenscheinen umringt die Schuhe, jeder zeigt das Schattenprofil einer Frau, darunter ein Vorname, ein Buchstabe für den Nachnamen und eine Altersangabe. Dazu noch jede Menge Grablichter. Acht Frauen aus acht spanischen Städten haben hier vor drei Wochen einen Hungerstreik begonnen. Der Hungerstreik soll Politiker zwingen, ein Gesetzespaket gegen häusliche Gewalt zu verabschieden: für den Schutz der betroffenen Frauen und für eine härtere Bestrafung der Täter. Dann kam die Stadtpolizei.

Oberbürgermeisterin Carmena hat nicht zum ersten Mal mit der Stadtpolizei zu tun

Die Stadtpolizei von Madrid hat den Organisatoren der Aktion gleich drei Strafmandate zwischen 600 und 750 Euro ausgestellt. Der Grund: Sie haben ohne Genehmigung ein Zelt aufgeschlagen. Die Empörung darüber ist groß, und es fehlt auch nicht an Spott und Häme. Denn die linksalternative Oberbürgermeisterin Manuela Carmena höchstselbst hatte die Aktion gutgeheißen. Und nun schoss ausgerechnet das Ordnungsamt der Oberbürgermeisterin quer. Carmena ist knapp zwei Jahre im Amt. Mit dem Ordnungsamt hatte sie schon häufiger zu tun.

Die Organisatoren hatten alles ordnungsgemäß im Rathaus beantragt: Informationsstände auf Tapeziertischen, die Friedensrune mit einem Durchmesser von etwa vier Metern. Die Stadt genehmigte alles, das Gesundheitsamt sicherte dazu noch die Betreuung der Frauen durch Ärzte zu. Dann begann es zu regnen.

Anfang Februar war es in Madrid ungewöhnlich warm, der Himmel war strahlend blau. Aber wie zu dieser Jahreszeit üblich trübte sich das Wetter wieder ein, die Temperaturen lagen tagsüber nur noch wenige Grad über und nachts sogar unter null. Und wie jeden Februar in Madrid kamen heftige Regengüsse bei scharfem Nordwind. Also stellten die Aktivisten des Hungerstreiks rasch ein blaues Zelt samt elektrischem Heizkörper auf und stellten sogar einen Sonnenkollektor davor. Was der Hälfte der hungerstreikenden Frauen nichts mehr half, sie hatten sich so stark erkältet, dass sie aufgeben mussten. Es blieben noch vier.

Und in diesem Moment kam also die Stadtpolizei mit ihren Strafzetteln. Es ging ums Zelt. Zwar erklärte eine Sprecherin der Oberbürgermeisterin, dass dieses natürlich genehmigt worden wäre - wäre es denn auch tatsächlich beantragt worden. Und Strafmandate können nur von einem Gericht aufgehoben werden. Nun warten Kritiker wie Unterstützer der Stadtregierung auf die weitere Entwicklung. Lässt die Justiz gleiches Recht für alle gelten? Oder wird Manuela Carmena versuchen, für ihre "amigas", ihre Freundinnen, eine Ausnahme durchzusetzen?

Zur reinen Nebensache wurde dabei übrigens, was denn nun das Anliegen der streikenden Frauen eigentlich war: Jedes Jahr werden laut Aussage der Aktivistinnen in ganz Spanien zwischen 50 und 75 Frauen von ihren Partnern umgebracht. Allein für Januar und Februar seien bereits 15 Todesfälle zu beklagen. Das ist die höchste Zahl an Opfern für einen Jahresbeginn seit einem Jahrzehnt.

Doch Oberbürgermeisterin Carmena sorgt sich gerade um ganz andere Dinge. Die Panne ist für sie äußerst unangenehm. Schon im vergangenen Jahr gab es Ärger, weil Carmena erst die Teilnehmer einer Love-Parade begrüßt hatte, das Ordnungsamt dann aber Strafzettel wegen Überschreitens des zugelassenen Lärmpegels verteilte. Kritiker werfen der Oberbürgermeisterin und ihren Beratern vor, keinen Überblick mehr über die Stadtverwaltung zu haben.

Ungeachtet der Vorfälle soll der Hungerstreik nun weitergehen. In Madrid scheint ja wieder die Sonne.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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