Spanisches Königshaus:Die Mutter wacht

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Die spanische Königsfamilie bei einem Termin im April vergangenen Jahres. Prinzessin Leonor ist ganz links zu sehen. (Foto: Enrique Calvo/REUTERS)

Prinzessin Leonor von Spanien hat ihre erste offizielle Rede gehalten. Doch für das schüchterne Mädchen ist es schwer, sich vom Elternhaus zu emanzipieren und sich als künftiges Staatsoberhaupt zu profilieren.

Von Thomas Urban, Madrid

Für die einen ist sie die Aufsteigerin des vergangenen Jahres, die anderen aber lehnen die Vorstellung ab, dass dieses schüchterne Mädchen eines Tages ihr Staatsoberhaupt sein soll. Gemeint ist Leonor de Todos los Santos de Borbón y Ortiz, Fürstin von Girona, Fürstin von Viana, Erbin des Königreichs Kastilien, der Krone von Aragón und des Königreichs Navarra, Herzogin von Montblanc, Gräfin von Cervera und Herrin von Balaguer.

Seit sie im November 14 Jahre alt wurde, ist die Königliche Hoheit, wie Leonor offiziell anzureden ist, in die Repräsentationspflichten der Casa Real, des spanischen Königshauses, eingebunden, sie ist eine öffentliche Person geworden. So will es die Tradition. Sie hat es auf die Titelseiten nicht nur der bunten Blätter, sondern auch der seriösen Presse gebracht, als sie wenige Tage nach ihrem Geburtstag ihre erste öffentliche Rede hielt, genauer gesagt, vom Blatt ablas. Die Feierlichkeit veranschaulichte allerdings schlagartig eines der gewaltigen Probleme im Königreich, für das Leonors Vater Felipe und die Regierenden in Madrid bislang keine Lösung haben: den Konflikt mit den nach Unabhängigkeit strebenden Katalanen. Leonor sprach in der katalanischen Großstadt Girona, deren historischen Fürstentitel sie trägt. Die Feier fand in einem Kongresszentrum statt, das bewacht war wie ein Hochsicherheitstrakt. Girona ist die Hochburg der katalanischen Separatisten, von dort stammt der abgesetzte Regionalpremier Carles Puigdemont. Demonstranten riefen den Spottvers: "Los Borbones a los tiburones!" - die Bourbonen den Haien. Da half es auch nichts, dass Leonor ein paar Sätze auf Katalanisch vorlas.

Doch ist Katalonien bei Weitem nicht das einzige Problem für die junge Thronfolgerin. Es ist vielmehr der allgemeine Ansehensverlust des Königshauses, die Generation unter 30 lehne die Monarchie mit großer Mehrheit ab, heißt es immer wieder, obwohl repräsentative Studien nicht veröffentlicht werden. Dazu kräftig beigetragen haben als Negativposten der Casa Real vor allem der königliche Großvater Juan Carlos und Leonors Mutter, Königin Letizia. Über den abgedankten Juan Carlos sind mittlerweile so viele unangenehme Dinge ans Tageslicht gekommen - Geliebte, Vaterschaftsprozesse, Verstrickung in Korruptionsaffären -, dass er in Talkshows unwidersprochen "durch und durch unmoralisch" genannt werden kann.

Königin Letizia, der früheren Journalistin, einer Aufsteigerin aus der unteren Mittelschicht, wird ein Kontrollwahn nachgesagt. Sie gilt als verschärfte Variante einer Helikoptermutter; Presseberichten zufolge nervt sie immer wieder die Lehrer der streng abgeschirmten elitären Privatschule ihrer Töchter. Die beiden Mädchen dürfen demnach keine Handys haben, nur am Wochenende von der Mutter ausgesuchte Filme im Fernsehen sehen und nur unter Aufsicht im Internet surfen. Auch ihre Kontakte zu anderen Kindern würden streng reglementiert.

Dabei verlief Letizias Leben ganz anders: Als sie 15 Jahre alt war, wurden sie und ihr Literaturlehrer ein Paar, es war ein Skandal, er musste den Schuldienst verlassen. Die beiden heirateten, als sie volljährig war, doch hielt die Ehe nicht lange. Sie ging für ein wildes Jahr nach Mexiko, wurde Muse eines Malers, der sie barbusig auf Leinwand verewigte; das Foto des Bildes ging vor ein paar Jahren durch die spanischen Medien. Und dann gab es in ihrem bürgerlichen Leben noch eine Abtreibung, was aber erst Jahre nach der Prunkhochzeit mit Felipe bekannt wurde. Ein Cousin, mit dem sie sich überworfen hat, veröffentlichte in einem hämischen Buch über sie eine Kopie der Arztrechnung.

Felipe hatte damals lange um die selbstbewusste Fernsehmoderatorin geworben. Frühere Kollegen meinen, sie habe ihre Kräfte überschätzt und fälschlicherweise gedacht, sie sei stark genug, um frischen Wind in das Königshaus zu bringen. Damit ist sie gescheitert, und nicht nur das: Ihr Verhältnis zu den königlichen Schwiegereltern wie Schwägerinnen gilt als zerrüttet. Hofberichterstatter wollen wissen, dass ihr im Falle einer Scheidung das Sorgerecht für die Töchter entzogen würde, diese seien "königlichen Geblüts" und hätten somit in der Obhut der "Krone" zu bleiben. Deshalb halte Letizia ihre beiden Töchter mit aller Energie in dem goldenen Käfig, aus dem sie selbst nicht mehr herausfindet. Manche der Autoren räsonieren bereits, was denn passieren könnte, wenn die schüchterne Leonor in die Pubertät kommt und vielleicht so rebellisch wird, wie es ihre heute so strenge Mutter damals war.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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