Solo-Restaurant in Amsterdam:Beim Essen bin ich Single

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Wer alleine im Lokal sitzt, wirkt oft bemitleidenswert. Eine Niederländerin hat das Manko nun zum Geschäftsprinzip gemacht - perfekt, nicht nur für gestresste Manager.

Von Hanna Voß

Als Rory Gilmore in der US-amerikanischen Fernsehserie Gilmore Girls an die Eliteschule Chilton wechselt, setzt sie sich zum Mittagessen allein mit Buch und Walkman an einen Tisch in der Schulkantine. Schon bald wird sie vom Direktor zu einem Gespräch zitiert. Er bemängelt ihr fehlendes Sozialverhalten.

Offenbar wird in einer Gesellschaft, in der es für viele Menschen Standard ist, mehrere Hundert Facebook-Freunde zu haben, der Wunsch nach einer Mahlzeit ohne Geplauder und Geselligkeit nicht akzeptiert. Vernetzung und Smalltalk gelten als unabkömmlich. Im Beruflichen wie im Privaten.

Die Niederländerin Marina van Goor hat mit dem Tabu der Einsamkeit am Mittagstisch jetzt gebrochen. Sie hat in Amsterdam das Eenmaal eröffnet, das ihrer Aussage nach erste Restaurant für Allein-Essende. Das Lokal konzentriert sich auf Menschen, die bewusst und freiwillig für sich allein speisen möchten. Und es bietet jenen, die unfreiwillig allein sind, eine Möglichkeit, sich nicht unwohl, sondern zugehörig zu fühlen. Tische, an denen nur eine Person sitzen kann, stehen in respektvollem Abstand voneinander entfernt. Platz, um beispielsweise einen zweiten Stuhl heran zu ziehen, gibt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, in ein lästiges Smalltalk-Gespräch verwickelt zu werden, ist gering.

"Eine gute Sache"

Nicht jeder versteht diesen Wunsch nach Einsamkeit. Für viele fühlt es sich komisch an, ohne Begleitung im Restaurant zu sitzen. Im Eenmaal muss sich dafür nun niemand mehr schämen. Wer allein sein möchte, kann das auch. Auch soziale Kontakte über das Handy zu pflegen, ist hier nur begrenzt möglich. WLAN bietet das Lokal nicht. "Ich wollte zeigen, dass Momente der Abgeschiedenheit, wenn man zum Beispiel alleine isst oder einfach nur dasitzt, in unserer hypervernetzten Welt attraktiv sein können", sagte Marina van Goor der Businessweek. Ihre Gäste würden ermutigt, mal wieder Zeitschriften und Bücher zu lesen.

Aber gehört zum Essen nicht auch eine soziale Komponente? Ist ein Restaurantbesuch nicht mehr als ein Akt der Nahrungsaufnahme? Andererseits: Wenn Menschen im Lokal nur noch plaudern - können sie dann eine Delikatesse wie rohen Thunfisch überhaupt noch würdigen?

Allein im Restaurant
:Nur für eine Person

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Für viele Amsterdamer Manager könnte das Eenmaal zur perfekten Ruheoase werden. Schließlich ist für ihre Spezies das Mittagessen die einzige Zeit, die sie nicht in Meetings verbringen. Marina van Goor möchte ihr Restaurantkonzept deshalb ausweiten und plant weitere Läden in den USA, London und Berlin. "Wir möchten zeigen, dass isoliertes Essen eine gute Sache sein kann." Eine, für die sich niemand schämen muss.

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