Sicherheitstechnik:Ein Bombengerät

Lesezeit: 3 Min.

Bombendetektor ohne Batterie: Die Energie kommt angeblich vom Benutzer. (Foto: Khalil Al-Murshidi/AFP)

Der Sprengstoff-Detektor ADE 651 hat viele merkwürdige Eigenschaften. Vor allem funktioniert er nicht. Warum verwenden Sicherheitsdienste im Nahen Osten den "Zauberstab" bis heute?

Von Moritz Baumstieger, München

Ist im Wagen Sprengstoff versteckt? Als ein schwarzer Mercedes am vergangenen Dienstag in die Tiefgarage des Einkaufszentrums Le Mall nahe Beirut fahren will, hält ihn ein schmächtiger Wachmann der "Middle East Security" an. Er richtet ein merkwürdiges Gerät auf das Auto, wie auf Fotos zu sehen ist. Vorne erinnert sein Bombendetektor an eine Pistole, nur dass anstelle eines Laufs eine Antenne angebracht ist. Den Arm zu exakt 90 Grad angewinkelt, schreitet der Sicherheitsmann das Fahrzeug ab. Reine Routine. Sprengstoffkontrollen gehören in Beiruts Malls zum Standard-Shoppingerlebnis. Das Gerät schlägt nicht an, der Mercedes darf weiterfahren.

Gäbe es wegen des ADE 651 nicht immer wieder Tote, wäre seine Geschichte fast ein Schelmenstück

Dass keine Bombe entdeckt wird, ist nicht verwunderlich. Das Gerät hätte auch nicht angeschlagen, wenn der Kofferraum des Mercedes voll mit Sprengstoff gewesen wäre. Seit Jahren schon ist bekannt, dass das ADE 651, so der Produktname des Bombendetektors, nichts anderes ist als eine teuer verkaufte Attrappe. Sein Vertreiber wurde wegen Betrugs verurteilt, dennoch wird das Gerät in vielen Ländern des Nahen Ostens bis heute verwendet. Neben Libanon vor allem im Irak - und das, obwohl Premier Haider al-Abadi den Einsatz dort kürzlich verboten hat. Am 2. Juli starben fast 300 Menschen bei einem Attentat der Terrormiliz IS in Bagdad. Wie man heute weiß, legte der mit Sprengstoff beladene Kühllastwagen fast 50 Kilometer zurück, bis er am Anschlagsort ankam. Dabei muss der Laster an mehreren Checkpoints kontrolliert worden sein - mit dem ADE 651.

Gäbe es nicht immer wieder Tote wegen des wirkungslosen Bombendetektors, könnte man seine Geschichte für ein modernes Schelmenstück halten. Das Gerät wurde ursprünglich in den USA zum Aufspüren verloren gegangener Golfbälle für weniger als 20 Dollar verkauft - nicht sehr oft, denn es funktionierte schon auf dem Rasen nicht. Später erwarb der britische Ex-Polizist James McCormick die Restbestände und etikettierte sie zum "Advanced Detection Equipment" (ADE) um. Das Gerät sollte nun nicht mehr Golfbälle, sondern Drogen, Trüffel, Elfenbein, Geld und eben Sprengstoff orten können - angeblich sogar in Flugzeugen, die bis zu fünf Kilometer über ihm flogen. Der Wunderdetektor hatte nicht mal eine Batterie, nach Angaben des Herstellers zog er seine Energie aus der Körperspannung des Benutzers. Wenn man aber eine auf den gesuchten Stoff "programmierte" Karte einlegte, war er McCormick zufolge in der Lage, diesen dank "elektrostatischer Ionen-Anziehung" zu erschnüffeln.

"Es bringt Geld ein"

Die Sicherheitskräfte des Irak fielen wie die weiterer 20 Staaten auf den Schwindel herein. Sie zahlten aber nicht 20 Dollar, sondern bis zu 60 000 Dollar pro Stück. So investierte die Regierung in Bagdad 85 Millionen Dollar in die "Zauberstäbe", wie die Geräte im Volksmund hießen. Und sie hielt auch noch daran fest, als offensichtlich wurde, dass der Zauber ziemlich faul ist.

Nachdem Experten verschiedener Armeen die Geräte untersucht und als Humbug entlarvt hatten, verhängte die britische Regierung ein Ausfuhrverbot. McCormicks Firma behauptete weiter, dass der Detektor funktioniere, aber etwa durch zu schnellen Herzschlag oder Goldzähne der Anwender irritiert würde. Es nutzte nichts: McCormick wurde in London zu zehn Jahren Haft wegen Betrugs verurteilt, sein Geschäftspartner aus dem irakischen Innenministerium in Bagdad zu vier Jahren, weil er sich schmieren ließ. Im Londoner Prozess sagte ein Mitarbeiter McCormicks aus. Sein Chef sei von der Wirksamkeit des ADE 651 überzeugt gewesen - von einer ganz speziellen Wirksamkeit: Es tue exakt das, wofür es hergestellt wird, habe McCormick einmal gesagt: "Es bringt Geld ein."

Die Urteile ergingen 2012 und 2013, doch erst jetzt werden die Geräte im Irak aus dem Verkehr gezogen - zumindest ein bisschen. "Der Abzug geht voran, aber hier und dort sind sie noch im Einsatz", hieß es in der vergangenen Woche aus dem irakischen Innenministerium. In Libanon hingegen ist die Detektor-Attrappe bis heute nicht verboten. Sicherheitsleute halten sie immer noch auf Autos - mit exakt abgewinkeltem Arm.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: