Massenpanik:Staatstrauer nach mehr als 150 Toten bei Halloween-Feiern in Seoul

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Rettungskräfte im Einsatz: In Südkorea gibt es nach einer Massenpanik in Seoul Tote und Verletzte. (Foto: IMAGO/Niu XisitongxunsheNEWSIS/IMAGO/Xinhua)

In einem Ausgehviertel kommt es nach einer Massenpanik zu einer der größten Tragödien in der jüngeren Geschichte Südkoreas. Präsident Yoon Suk-yeol lässt Veranstaltungen absagen.

In Südkorea hat Staatspräsident Yoon Suk-yeol am Sonntag eine Staatstrauer angeordnet, nachdem bisher 153 Menschen bei einem Massengedränge während Halloween-Feiern in Seoul gestorben sind. Die Staatstrauer soll bis zum 5. November andauern. Yoon kündigte zudem eine gründliche Untersuchung an. Mindestens 97 der Todesopfer seien Frauen gewesen, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap.

Bis zum Mittag sei die Identität von mindestens 90 Prozent der Todesfälle festgestellt worden, teilte das Innenministerium am Sonntag mit. Bei einigen Ausländern und Jugendlichen, die noch keine Ausweispapiere besäßen, dauere es noch. Mindestens 24 ausländische Staatsbürger aus 14 Ländern seien unter den Toten. Sie kommen unter anderem aus China, dem Iran, Russland, den USA, Österreich, Norwegen und Frankreich.

"Das ist wirklich schrecklich", sagte der Präsident in einer Rede an die Bürgerinnen und Bürger am Sonntag. Solch eine Tragödie im Zentrum von Seoul hätte niemals passieren dürfen. Als Präsident, der für das Leben und die Sicherheit der Bürger verantwortlich sei, fühle er tiefe Trauer. Yoon, der auch den Unglücksort besuchte, erklärte laut der Nachrichtenagentur Yonhap später den betroffenen Stadtteil zur speziellen Katastrophenzone. Dadurch soll unter anderem den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten schneller Hilfe zugutekommen. Angesichts der Tragödie werden nun viele Veranstaltungen in Südkorea abgesagt, darunter Regierungstreffen und Pop-Konzerte. Es handelt sich um die schlimmste Katastrophe in Südkorea seit dem Untergang der Fähre "Sewol" 2014 vor der Küste des Landes, als 304 Menschen starben.

Das Unglück ereignete sich gegen 22.20 Ortszeit (15.20 Uhr MESZ) in Seouls Ausgehviertel Itaewon in einer engen, abschüssigen Gasse, als auf den Straßen des Viertels extremes Gedränge herrschte. Für die vorwiegend jungen Partygänger wurde das etwa vier Meter breite Gässchen zur Falle: Zahlreiche Menschen seien auf den Boden gestürzt, während andere von oben nachgedrängt hätten, berichteten Augenzeugen. Viele der Opfer seien erdrückt, erstickt oder sie seien niedergetrampelt worden. Alles sei sehr schnell passiert, so dass die Menschen in der Menge kaum Zeit zur Flucht gehabt hätten.

"Es war wie ein Dominoeffekt", sagte ein junger Zeuge dem südkoreanischen Fernsehsender MBC. "Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin ebenfalls hingefallen." Er habe nicht auf Liegende treten wollen. "Menschen waren bewusstlos und riefen nach Hilfe." In den ersten Berichten von der Unglücksstelle hieß es, viele Menschen hätten bei einem Massengedränge einen Herzstillstand erlitten. Rettungskräfte und Privatpersonen hätten versucht, sie wiederzubeleben.

"Da lagen Menschen auf der Straße an der Kreuzung, die reanimiert wurden", sagte Karl Sunglao aus Kalifornien, der in Seoul als Englischlehrer tätig ist. Als er und seine Freundin um etwa 23 Uhr am Samstag (Ortszeit) aus der U-Bahn-Station gekommen seien um zu feiern, hätten sie zunächst gedacht, ein Gebäude sei eingestürzt. "Es herrschte absolutes Gedränge, wir wussten nicht, was los war."

Zahl der Todesopfer könnte noch steigen

Die Zahl der Todesopfer könnte nach Angaben der Feuerwehr noch steigen. Die Zahl der Verletzten wird inzwischen mit 103 angegeben. In ersten Berichten war noch von 150 Verletzten die Rede, dann von 82.

In sozialen Medien verbreitete Videos sollen zeigen, wie Rettungskräfte und Privatleute am Unglücksort Erste Hilfe leisteten. Foto von Privatleuten und Agenturen zeigen Dutzende mit Decken und Plastikplanen bedeckte Todesopfer. Insgesamt versuchten die Einsatzkräfte der Nachrichtenagentur Yonhap zufolge mehr als 50 Menschen wiederzubeleben.

Augenzeugenberichten zufolge waren die Gassen rund um den Unglücksort derart voll, dass sich die Hilfskräfte nur schwer ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen konnten. Laut Yonhap waren insgesamt 142 Rettungsfahrzeuge im Einsatz.

Das alljährliche Halloween-Fest ist eine der größten öffentlichen Feiern in Südkoreas Hauptstadt. Dieses Jahr fanden wieder zum ersten Mal größere Veranstaltungen zu dem Fest statt, nachdem die Corona-Maßnahmen weitgehend gelockert wurden. Zehntausende Menschen zog es laut den Berichten ins Itaewon-Viertel, viele von ihnen in Halloween-Kostümen verkleidet. "In Itaewon ist es jedes Jahr extrem voll, aber dieses Jahr war es einfach nur verrückt", schrieb eine Frau in einer Instagram-Story. Den Berichten zufolge machten Gerüchte die Runde, dass ein prominenter Youtuber auf dem Weg zu einem Club in der betroffenen Straße oder dort schon angekommen sei. Das habe noch einmal sehr viele Menschen angezogen.

Steinmeier: "Meine Gedanken sind bei den Opfern und bei ihren Angehörigen"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte am Sonntag dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol. "Mit tiefer Bestürzung und Fassungslosigkeit habe ich von dem verheerenden Unglück in Itaewon erfahren, bei dem so viele Menschen ihr Leben verloren haben", schrieb Steinmeier. "Dies ist ein trauriger Tag für Südkorea und alle, die Ihrem Land und seinen Menschen nahestehen." Deutschland sei der Republik Korea eng und freundschaftlich verbunden und stehe "in dieser dunklen Stunde" an der Seite Koreas. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und bei ihren Angehörigen", schrieb der Bundespräsident.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Hinterbliebenen und Opfern der Halloween-Tragödie in Südkorea sein Mitgefühl ausgedrückt. "Die tragischen Ereignisse in Seoul erschüttern uns zutiefst", teilte der SPD-Politiker am späten Samstagabend auf Twitter mit. "Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist ein trauriger Tag für Südkorea. Deutschland steht an ihrer Seite."

In einer Erklärung von US-Präsident Joe Biden hieß es, er und seine Frau Jill trauerten mit den Menschen in Südkorea. "Die Allianz zwischen unseren Ländern war niemals pulsierender und lebendiger - und die Beziehungen zwischen unseren Bürger so stark wie nie."

EU-Ratschef Charles Michel zeigte sich tief erschüttert. Sein Mitgefühl gelte den Familien und Freunden der Opfer des schrecklichen Unfalls, schrieb der Belgier am Samstag auf Twitter. Den Verletzten wünschte er eine rasche Genesung. "Die EU steht in Solidarität an Ihrer Seite." Ähnlich äußerte sich EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Sie sei von den Nachrichten aus der südkoreanischen Hauptstadt Seoul schockiert. "Meine Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Todesopfer und der Verletzten."

Auch Papst Franziskus gedachte der Opfer. Er rief zum Gebet für die Toten der "unvorhergesehenen Tragödie bei einer Halloween-Party" auf. Es seien vor allem junge Menschen gestorben, bedauerte der Papst am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz.

© SZ/dpa/Reuters/jsa/dta/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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