Schwerin:Über das Riesenloch in der A20 führt jetzt eine Brücke

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An der provisorischen Brücke für die abgesackte Autobahn A20 wird das letzte Bauteil östlich der Trebeltalbrücke verlegt. (Foto: dpa)

Eine Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern versackte im Herbst plötzlich im Moor. Die Menschen lebten plötzlich am berühmtesten Loch Deutschlands, der Verkehr rollte durch die Dörfer. Nun wurde eine Behelfsbrücke eingeweiht - doch das Land muss Miete zahlen.

Von Thomas Hahn

Für Hartmut Kolschweski, Bürgermeister der Gemeinde Lindholz im Landkreis Vorpommern-Rügen, geht der 12. Dezember 2018 als "Tag der Befreiung" in die Geschichte ein. Die Ortsteile Langsdorf und Böhlendorf waren zwar nicht von irgendwelchen autoritären Mächten besetzt. Aber dass der Umleitungsverkehr von der A 20 seit vergangenem Herbst an ihren Häusern vorbeidonnerte, fühlte sich für die Anwohner durchaus wie eine Art Gefangenschaft mit Folter an.

Bei der Ausfahrt Tribsees war die Autobahn im Moor versackt, die Menschen lebten plötzlich am berühmtesten Loch Deutschlands. Die Ausweichroute konnte nur über die Straßen ihres Dorfes führen - bis am Mittwoch endlich die Behelfsbrücke freigegeben wurde, die Autos und Laster fortan an der kaputten Straße vorbeiführt. Freude, Durchatmen. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) sagte, er sei "sehr erleichtert".

Den Wert einer Straße merkt man erst so richtig, wenn sie nicht mehr da ist. Die A 20 war lange ein Segen für Lindholz, brachte zahlende Durchreisende in die Gemeinde und hielt den Rest des Verkehrs weg. Aber dann kam das Loch. Ortskundige waren schon immer der Meinung gewesen, dass man die eilig verlegte Ost-West-Autobahn mit mehr Geld und Muße über den Moorboden des Trebeltals hätte bauen müssen. 2014 gab es erste Anzeichen dafür, dass die Straße auf dem weichen Untergrund tatsächlich nachgab. Im Sommer 2017 wurden Standstreifen und rechte Spur gesperrt. Anfang Oktober 2017 sackte der Asphalt auf 40 Metern Länge und zehn Metern Breite weg. Vollsperrung, Martyrium. Die Nachbarn bekamen zu spüren, was es bedeutet, am Rande einer endlosen Blechlawine zu leben. "Eigentlich unerträglich", sagte eine Wirtin und ertrug es.

Je Richtung nur eine Fahrspur und Tempo 60 - die Staugefahr bleibt

1,3 Millionen Euro an Buß- und Verwarngeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen hat die Staatskasse laut NDR an der Umleitung gesammelt. Eine regionale Fluggesellschaft bot Rundflüge für Schaulustige an. Das A-20-Loch, bald 100 Meter lang, brachte auch was. Für die Einheimischen blieb es eine große Last. Die Behelfsbrücke bringt ihnen den Frieden zurück.

Die Brücke ist 773 Meter lang, besteht aus 81 Stahlsegmenten und kostet 50 Millionen Euro. Eine niederländische Firma hat sie geliefert und aufgebaut. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr zahlt eine Monatsmiete von 153 000 Euro. Auf zwei Jahre ist der Vertrag angelegt, dann soll die A 20 repariert sein. Die Staugefahr? Bleibt. Für jede Richtung gibt es auf der Brücke nur eine Fahrspur sowie ein Tempolimit von 60 Kilometern pro Stunde. Vielleicht sinkt das sogar noch im Sinne der Anrainer, weil die Brücke Stahlfugen aufweist, die beim Überfahren Lärm verursachen.

Ein wichtiges Accessoire des Provisoriums sind jedenfalls die Blitzer. Verkehrsdisziplin ist dem Minister Pegel an dieser Stelle ein besonderes Anliegen, denn: "Ein Unfall erfordert dort eine Vollsperrung und somit eine erneute Umleitung." Dann müssten wieder alle durch Langsdorf und Böhlendorf. Und dort haben die Leute wirklich genug gelitten.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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