Schweiz:Rotlicht-Größe wird nach 1683 Tagen im Gefängnis freigesprochen

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  • Das Obergericht des Kantons Uri habe nun begründete Zweifel, dass Ignaz Walker den Auftrag gegeben habe, seine damalige Ehefrau umzubringen.
  • Berichte des Polit-Magazins "Rundschau" des Schweizer Fernsehens hatten gravierende Verfahrensfehler aufgedeckt: Volltrunkene Belastungszeugen, unsaubere DNA-Beweise, erbracht von befangenen Polizisten.
  • Walker saß vier Jahre im Gefängnis, der Fall dürfte als teuerster Justizirrtum in die Kantonschroniken eingehen.

Von Charlotte Theile, Altdorf

Es ist ein regnerischer, grauer Montag, der Ignaz Walker als einer der schönsten Tage seines Lebens in Erinnerung bleiben wird. Kurz nach 14 Uhr hörte der 47-jährige frühere Cabaret-Betreiber die erlösenden Worte: Freispruch. Die Schüsse auf seine Ex-Frau im November 2010, deretwegen er insgesamt 1683 Tage in Haft verbracht hat, werden ihm nicht länger zur Last gelegt. Das Obergericht des Kantons Uri habe nun begründete Zweifel, dass Ignaz Walker den Auftrag gegeben habe, seine damalige Ehefrau umzubringen, erklärte der Vorsitzende Thomas Dillier.

Der Fall des umstrittenen Mannes aus dem Urner Rotlichtmilieu hat die Schweiz in den vergangenen anderthalb Jahren in Atem gehalten. Die Berichte des Polit-Magazins "Rundschau" des Schweizer Fernsehens hatten gravierende Verfahrensfehler aufgedeckt: Volltrunkene Belastungszeugen, unsaubere DNA-Beweise, erbracht von befangenen Polizisten.

2013 war Walker zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden - Hauptanschuldigung waren die Schüsse auf seine Ex-Frau. Doch auch andere Delikte wurden in dem Verfahren subsumiert. Es wirkte wie die Generalabrechnung des Kantons mit seinem rebellischsten Bürger. Ein gutes Jahr später wies die höchste Instanz, das Schweizer Bundesgericht, den Fall zur Neubeurteilung in den Kanton Uri zurück. Im Frühjahr 2015 sagte der angebliche Auftragsschütze im Schweizer Fernsehen: Der ganze Fall sei ein Komplott gewesen, mit dem Ziel, Walker ins Gefängnis zu bringen. Walkers Ex-Frau war bei den Schüssen leicht verletzt worden.

Walker verließ den Saal sichtlich erleichtert

Auf diese Anschuldigung des verurteilten Schützen könne man nichts geben, erklärte jetzt das Gericht. Doch sei dessen Glaubwürdigkeit inzwischen als derart gering anzusehen, dass auch seine früheren, belastenden Aussagen in Zweifel stünden. Zudem hatte eine Schussrekonstruktion ergeben, dass die Aussagen von Walkers Ex-Frau nicht mit den Spuren am Tatort übereinstimmen. Damit fielen weitere Belastungsmomente gegen Walker weg. Was blieb, wog nicht schwer genug, um Walker zweifelsfrei schuldig zu sprechen.

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Verurteilt wurde er jedoch wegen eines Schusses, der im Januar 2010 vor seinem Tanzlokal gefallen war. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Walker im Streit mit einem inzwischen verstorbenen Niederländer geschossen hatte. Ob er diesen habe töten wollen, sei nicht mehr feststellbar. Dennoch habe sich Walker der "Gefährdung des Lebens" und diverser Delikte im Umgang mit Waffen schuldig gemacht. Dafür wurde der 47-Jährige zu einer Strafe von 28 Monaten verurteilt.

Da Walker jedoch mehr als vier Jahre gesessen hat, kommen wohl Entschädigungszahlungen auf den Kanton Uri zu. Auch einen Großteil der Anwaltskosten muss der kleine Kanton tragen. Das Verfahren Walkers dürfte als teuerster Justizirrtum in die Kantonschroniken eingehen. Walker verließ den Saal sichtlich erleichtert. Sowohl sein Verteidiger als auch der Staatsanwalt kündigten an, weitere Schritte gegen das Urteil prüfen zu wollen.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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