Schuldenkrise:Blut auf Pump für Griechenland

Die Schweiz verkauft Blut nach Griechenland - schon seit Jahrzehnten. Nun kann Athen nicht mehr zahlen. Der Direktor der Schweizer Blutspende schickt dennoch Tausende Beutel.

Von Yannick Nock

SZ: Herr Schwabe, wie lange warten Sie bereits auf Zahlungen aus Athen?

Rudolf Schwabe: Die Rechnungen werden seit einigen Monaten nicht mehr beglichen. Dennoch haben wir vor wenigen Tagen beschlossen, die Lieferungen im vollen Umfang weiterführen. Wir können die Bevölkerung nicht wegen politischer und finanzieller Probleme im Stich lassen.

Wie lange werden Sie die Hilfe aufrechterhalten?

Bis Ende des Jahres können wir weitere Blutkonserven garantieren. Danach müssen wir die Lage neu beurteilen, weil wir dann die Lieferungen schlicht nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen können. Die Schulden der Griechen betragen mittlerweile zwei Millionen Euro.

Was kostet ein Beutel Blut?

Knapp 200 Euro. Das Schweizerische Rote Kreuz schickt jährlich 28 000 Beutel im Wert von mehr als 5 Millionen Euro an eines der größten Spitäler in Athen. Es geht uns nicht um Profit. Die Kosten entstehen hauptsächlich durch den Vertrieb und die aufwendige Lagerung.

Rudolf Schwabe

Rudolf Schwabe, Direktor der Blutspende SRK Schweiz.

(Foto: Blutspende SRK Schweiz)

Warum gelingt es Griechenland nicht, seinen Eigenbedarf durch Spenden zu decken?

Das Vertrauen in den Staat ist nicht erst seit der Finanzkrise geringer als in anderen Ländern Europas. Wenn die Regierung zur Blutspende aufruft, hat das fast keine Wirkung. Die Menschen haben schlicht andere Sorgen. Wer Blut benötigt, muss oft selbst einen Spender mitbringen, meistens Verwandte oder Freunde. Außerdem leiden zehn Prozent der Bevölkerung an Mittelmeer-Anämie, eine vererbbare Blutkrankheit. Das führt einerseits dazu, dass Griechenland mehr Blut für Transfusionen benötigt als beispielsweise Deutschland oder die Schweiz. Andererseits fallen durch die Krankheit zehn Prozent als potenzielle Spender weg.

In der Schweiz werden Sie dafür kritisiert, dass das Rote Kreuz oft vor Engpässen warnt, gleichzeitig aber Blut nach Griechenland schickt.

Nach einer Spende hält Blut nur sechs Wochen, danach können es Spitäler nicht mehr gebrauchen. Wir haben in der Schweiz einen Notvorrat an Blut, sollte es zu einer Naturkatastrophe oder zu größeren Unfällen kommen. Aus dieser Notreserve schicken wir Beutel nach Griechenland, bevor sie ablaufen. Meistens sieben bis zehn Tage nach einer Spende.

Würden Entwicklungsländer nicht stärker von Blutlieferungen profitieren?

Natürlich gibt es Länder in Afrika oder Südamerika, die stärker auf Spenderblut angewiesen sind als die Griechen. Allerdings ist die Infrastruktur in diesen Ländern oft schlecht. Vor einigen Jahren haben wir Hunderte Blutbeutel nach Tansania geschickt. Die Lieferung kam aber nicht durch den Zoll. Das Blut ist dann bei 40 Grad auf dem Flughafen verrottet. In Griechenland kommen unsere Spende an.

Trotzdem haben Sie angekündigt, Ihr Engagement stark zu reduzieren.

Gemeinsam mit dem griechischen Gesundheitsministerium versuchen wir, die Bevölkerung für Spenden zu sensibilisieren, damit das Land bis 2020 seinen Bedarf beinahe selbst decken kann. Aber man muss realistisch sein, zurzeit sehen die Griechen Blutspenden nicht als eines ihrer dringlichen Probleme an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: