Schneefälle in Spanien:Mit den Skiern durch Madrid

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Seltenes Bild: Ein Ski-Langläufer mit Mundschutz auf der völlig verschneiten Plaza Mayor mitten in Madrid. (Foto: Andrea Comas/dpa)

Der heftigste Schneesturm seit 50 Jahren legt die spanische Hauptstadt lahm. Die Regierung plant Konvois, um die Stadt mit Impfdosen, Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.

Von Karin Janker, Madrid

Sie heißt Filomena und sie hat geschafft, was bisher kein Politiker mit Corona-Maßnahmen erreicht hat: Die meisten Madrilenen blieben an diesem Wochenende zu Hause. Notgedrungen, denn sie waren eingeschneit. An die 50 Zentimeter Schnee hat das Sturmtief Filomena binnen weniger Stunden über der spanischen Hauptstadt niedergehen lassen, an einzelnen Orten in der Region sogar mehr als einen Meter. Einen derartigen Wintereinbruch hat es in Spanien laut Meteorologen seit 50 Jahren nicht mehr gegeben. Dies sei der schlimmste Schneesturm seit 1971, sagte Innenminister Fernando Grande-Marlaska bei einer Pressekonferenz am Samstag.

Filomena legte das Leben in Madrid und den umliegenden Regionen quasi lahm. Der Flughafen Barajas, Europas Tor nach Südamerika, stellte wegen vereister Start- und Landebahnen von Freitagabend bis Sonntag seinen Betrieb ein. 1500 Autofahrer saßen in der Nacht zum Samstag auf den Autobahnen rund um die Hauptstadt fest. Hier ging nichts mehr. Das Militär musste Hunderte Autos freischaufeln, die nicht mehr von der Stelle kamen. Räumfahrzeuge waren zwar im Dauereinsatz, doch es waren viel zu wenige. Erst am Samstagnachmittag waren alle Autofahrer befreit. "Ich musste mir das Benzin einteilen", berichtete ein Autofahrer der Zeitung El Mundo, der 14 Stunden in seinem Fahrzeug ausharren musste.

Insgesamt forderte Filomena mindestens drei Menschenleben. In der Region Madrid wurde am Samstag die Leiche eines Mannes im Schnee geborgen, in Andalusien starben zwei Menschen durch eine plötzliche Überschwemmung. Besonders schlimm traf das extreme Wetter jene Vergessenen, die in der Cañada Real wohnen: Europas größter Slum liegt unweit von Madrid, ein Großteil seiner Bewohner - viele von ihnen Immigranten - lebt seit drei Monaten ohne Strom. Die Stadt wollte die Elektrizitätsprobleme eigentlich in diesen Wochen lösen. Doch passiert ist nichts, die Menschen behelfen sich mit Dieselaggregaten, wie El País berichtet, viele heizen ihre illegalen Behausungen mit offenem Feuer.

An der Puerta de Alcalá ging es geruhsam zu, doch rund um die spanische Hauptstadt saßen Hunderte Autofahrer in ihren Fahrzeugen fest. (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Andere konnten den Schneefällen gelassener begegnen. Im Zentrum von Madrid spielten sich am Samstag nie gesehene Szenen ab. Auf Hauptverkehrsstraßen wie der Gran Vía waren Skifahrer und Snowboarder unterwegs. In vielen Vierteln waren Skier mitunter die beste Art, sich vorwärtszubewegen. Denn die Räumfahrzeuge schafften es bei nicht endendem Schneefall kaum, eine schmale Fahrrinne freizulegen.

Die Stadt Madrid mit ihren 3,3 Millionen Einwohnern besitzt gerade einmal 66 Schneeräumer, die erweiterte Hauptstadtregion weitere 57, bei einer Fläche von rund 8000 Quadratkilometern. Man war schlicht nicht vorbereitet. Zwar schneit es in Madrid etwa einmal im Jahr, aber die spärlichen Flocken zergehen normalerweise, kurz nachdem sie am Boden aufkommen.

Feuerwehren konnten nicht ausrücken, weil sie keine Schneeketten hatten und ihre Zufahrten zugeschneit waren. Rettungswagen kamen nicht zu Krankenhäusern durch. In Messenger-Diensten gründeten sich spontan Gruppen, in denen Personen mit Allradfahrzeugen anboten, Menschen in medizinischen Notfällen ins Krankenhaus zu bringen. In vielen Kliniken waren ganze Stationen verwaist, weil Ärzte und Pfleger wegen der Straßenverhältnisse nicht zur Arbeit erscheinen konnten.

In Spaniens Krankenhäusern ist die Situation aufgrund der Pandemie in diesen Wochen ohnehin angespannt. Damit nicht zusätzliche Unfälle die Lage verschlimmern, rief Innenminister Marlaska die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, ihre Wohnung möglichst nicht zu verlassen. Schulen und Universitäten bleiben in mehreren Regionen Spaniens am Montag und Dienstag geschlossen, auch Gerichtsprozesse wurden abgesagt.

Auf der Hauptverkehrsstraße Gran Vía ging es zu wie auf einem Wintergemälde. (Foto: Susana Vera/Reuters)

José Luis Martínez-Almeida, Bürgermeister von Madrid, erwog am Sonntag, den Katastrophenfall für die Hauptstadt ausrufen zu lassen. Die Regierung bereitete Konvois vor, um Medikamente, Lebensmittel und Impfdosen gegen das Coronavirus nach Madrid bringen zu lassen. Denn auch wenn es am Samstagabend endlich aufhörte zu schneien, waren am Sonntagnachmittag nach wie vor 171 Autobahnen unpassierbar.

Um der Hauptstadt zu Hilfe zu kommen, schickten Andalusien und Murcia am Sonntag 16 Räumfahrzeuge. Die Zeit drängte. Denn zwar taute es am Sonntagnachmittag vielerorts, doch genau das machte Madrids Bürgermeister Sorgen. In den kommenden Tagen könnten die Temperaturen auf bis zu 13 Grad unter null sinken und den angetauten Schnee in Eis verwandeln. Was dann noch auf den Straßen liegt, wird für Fußgänger und Autofahrer gleichermaßen zur Gefahr. Der Blick aus dem Fenster sagt: Es könnte die Zeit der Schlittschuhe anbrechen.

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