Sachbeschädigung im Museum:Flickflack gegen Flick

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Eine Frau hat zwei Installationen des New Yorker Künstlers Gordon Matta Clark auf der Berliner Flick-Ausstellung vor fünf Jahren mit Flickflacks beschädigt. Sie ist psychisch krank. Das Gericht hat den Prozess eingestellt.

Ein Nachmittag im Museum: Ältere Damen stehen paarweise vor den Exponaten, sie zeigen mit spitzen Zeigefingern darauf, sie nicken mit dem Kopf, wenn das Gegenüber versucht, das Dargestellte zu deuten. Junge Menschen hetzen durch die Räume. Plötzlich tut es einen Knall. Eine junge Frau springt in den Handstand und lässt sich mit einem Überschlag auf eine Installation des New Yorker Künstlers Gordon Matta Clark fallen.

Ein anderes Motiv als ihre Krankheit konnten die Gutachter am Berliner Landgericht nicht dafür finden, dass die 39-Jährige vor fünf Jahren auf dem Kunstwerk "Grafitti Truck" von Gordon Matta Clark herumgesprungen war. (Foto: Foto: dpa)

Knapp fünf Jahre ist der ungewöhnliche Flickflack auf der Flick-Ausstellung in der Kunsthalle Hamburger Bahnhof in Berlin jetzt her. Das Verfahren gegen die heute 39-jährige Frau am Berliner Landgericht ist jetzt am ersten Verhandlungstag eingestellt worden. Wegen noch schwerwiegenderer Vorfälle ordneten die Richter die Unterbringung der Frau in einer psychiatrischen Klinik an. Allerdings auf Bewährung.

Die Hobbymalerin ist laut Augenzeugen unkontrolliert auf den Kunstwerken herumgesprungen und hat laut "Flick, jetzt vergebe ich dir" gerufen. Gips brach aus der Skulptur "Office Baroque". Mit einem weiteren Handstand hatte die gelernte Krankengymnastin das Exponat "Graffiti Truck" umgestoßen und eingedellt.

Seit 1998 leidet die Berlinerin an einer seltenen Störung. Sie habe sogar ihr Medizinstudium aufgeben müssen, schilderte die Anklägerin das tragische Schicksal der jungen Frau. Nach Angaben der Staatsanwältin ist die Aktion bei der Ausstellung des prominenten Kunstsammlers Friedrich Christian Flick im Hamburger Bahnhof der Krankheit geschuldet. Es komme zu unkontrollierten Bewegungen und Ausfällen wie der Hopserei auf den Skulpturen, erklärte die Anklägerin am Rande des Prozesses.

Die Frau soll unter Einfluss von Stimmen Menschen geschlagen haben, darunter auch eine hochbetagte Seniorin. Solange die Berlinerin keine weiteren Taten begeht, bleibt sie aber auf freiem Fuß. Die unter Wahnvorstellungen leidende Frau muss jetzt regelmäßige ärztliche Kontrollen nachweisen und sich einen Betreuer suchen. Wenn sie das nicht tut, kommt sie in eine psychiatrische Klinik.

An die Aktion im Hamburger Bahnhof konnte sich die Krankengymnastin nach Angaben der Staatsanwältin kaum erinnern. Die beiden beschädigten Objekte des 1978 verstorbenen Künstlers waren mit 980.000 US-Dollar versichert. Ein politischer Hintergrund für den Vandalismus wurde nicht angenommen. Die Ausstellung mit der Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick war damals allerdings wegen der NS-Vergangenheit der Unternehmerfamilie umstritten gewesen.

Kunstvandalismus weltweit keine Seltenheit

Immer wieder kommt es vor, dass Kunstgegner, psychisch auffällige Personen und religiöse Kritiker Kunstwerke beschädigen: Auch das wahrscheinlich bekannteste Bild der Welt, die "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci im Pariser Louvre, Rembrandts "Nachtwache" im Amsterdamer Rijskmuseum und die Pieta-Skulptur von Michelangelo im Petersdom in Rom haben nicht nur kunstsinnige Freunde. Mit den Angriffen wollten die Täter zumeist auf sich oder spezielle Anliegen aufmerksam machen.

In Deutschland ist es bisher eher selten zu spektakulären Attentaten auf Kunstwerke gekommen. In den fünfziger Jahren wurde in der Dresdner Gemäldegalerie das Bild "Ruhende Venus mit Amor" des italienischen Meisters Guido Reni mit einem Messer beschädigt. Im August 1977 sind zwei Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren im niedersächsischen Landesmuseum in Hannover zerstört worden. Der Säureanschlag galt Bildnissen von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora.

Der bekannteste deutsche Kunsthasser ist Hans-Joachim B. Er hat in Düsseldorf, Hannover, Hamburg und München mehrere Gemälde mit Säure überschüttet und soll dabei einen Schaden von 270 Millionen Euro verursacht haben. Hans-Joachim B. wurde mit mehrjähriger Haft bestraft.

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