Reemtsma-Entführer Thomas Drach:Bruder muss nicht in den Zeugenstand

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Thomas Drach sorgt im Prozess um die mutmaßliche Erpressung seines eigenen Bruders mit verbalen Ausfällen für Aufregung. Ein Antrag seines Verteidigers wurde nun abgewiesen - sein Bruder sagt nicht aus. Das Urteil könnte so schon bald fallen.

Im neuen Prozess gegen den 2001 verurteilten Reemtsma-Entführer Thomas Drach kommt es nicht zum Aufeinandertreffen zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder. Das Landgericht Hamburg lehnte am Dienstag einen entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung ab.

Voll schuldfähig: Thomas Drach im Gerichtssaal. (Foto: dapd)

Eine Aussage des ein Jahr jüngeren Bruders Lutz Drach sei zur Erforschung der Wahrheit nicht mehr erforderlich, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner. Es sei bereits erwiesen, dass sich Lutz Drach nicht von dem Angeklagten bedroht gefühlt habe oder fühle. Dies habe die Mutter der zerstrittenen Brüder, Helga Drach, für die Kammer überzeugend vor Gericht ausgesagt. Folglich sei eine Aussage von Lutz Drach ohne Bedeutung, sagte die Richterin. Auch komme es auf eine subjektive Bedrohung nicht an.

Taeubner betonte, dass es weder zu einer Anstiftung gekommen sei, geschweige denn zu einer räuberischen Erpressung. Die Anklage werfe Thomas Drach vielmehr eine versuchte Tat vor: Er soll mit Briefen aus dem Gefängnis heraus versucht haben, einen Freund zur räuberischen Erpressung seines Bruders anzufstiften. Dieser Freund sollte nach den Planungen des Angeklagten binnen sechs Monaten 30 Millionen Euro von Lutz Drach erpressen. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Aus Sicht der Kammer könnte die Beweisaufnahme nun abgeschlossen werden. Allerdings räumte das Gericht der Verteidigung weitere Zeit ein und setzte zwei zusätzliche Termine bis Mitte November an. Spätestens für den zweiten Termin am 14. November wird mit einem Urteil gerechnet.

Wie ein pubertierender Junge

Das Richterin hält die bisherigen Aussagen offenbar für ausreichend - und hat auch am vierten und fünften Prozesstag erneut einen Angeklagten erlebt, der die Bühne für sich nutzte und von einem Gutachter als Berufskrimineller beschrieben wurde.

Narzisstisch, unreif "wie ein pubertierender Junge", impulsiv und voll schuldfähig - so fasste der Gutachter Norbert Leygraf die Persönlichkeit des Reemtsma-Entführers zusammen. Eine psychische Erkrankung liege bei dem 51-Jährigen nicht vor. "Es gibt nichts, was für eine Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit sprechen würde", sagte Leygraf im Prozess gegen Drach vor dem Hamburger Landgericht. Gutachter Leygraf urteilte weiter, Drach habe seine Taten nicht im Affekt begangen, sondern akribisch geplant. Dabei habe er nicht vor massiver Gewalt zurückgeschreckt.

"Er entspricht unter psychologischer Betrachtung dem Typ eines Berufskriminellen", sagte er. Drach habe die Tendenz, sein Leben ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Menschen mit Straftaten zu finanzieren. Er sei auch heute noch der Meinung, dass es richtig gewesen sei, den Millionär Jan Philipp Reemtsma zu entführen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde Drach sein kriminelles Verhalten in Freiheit fortführen.

Drach hatte sich vorab geweigert, mit dem Psychiater zu sprechen - dafür gab er sich vor Gericht weiterhin großspurig. "Das geht Sie nichts an", blaffte er am Montag mehrfach in Richtung der Vorsitzenden Richterin. Nach Ansicht des Psychologen genießt er es, im Mittelpunkt zu stehen. Drach soll vor dem Hamburger Landgericht auch erneut Beamte bedroht haben. Wie Oberstaatsanwalt Karsten Hoffmann zu Protokoll gab, habe Drach auf die Anweisungen eines Beamten geantwortet: "Normalerweise knalle ich die ab, die mir Anweisungen geben." Gegenüber der Richterin sagte der Angeklagte: "Mir gibt keiner Anweisungen, ob da nun ein Polizist oder Mafiaboss steht."

Laut Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers droht Thomas Drach im Fall einer Verurteilung für den aktuellen Fall eine Freiheitsstrafe von maximal elf Jahren. Sollte ihn das Landgericht aber zu einer Haft von mindestens zwei Jahren verurteilen, könnte allerdings durch seine erste Verurteilung für die Reemtsma-Entführung 1996 eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommen.

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