Prozess:Streitfall § 219a

Eine Ärztin aus Gießen hat auf ihrer Webseite Schwangerschaftsabbrüche angeboten. Das Amtsgericht der Stadt hat entschieden, dass sie dafür 6 000 Euro zahlen muss. Doch die Ärztin kündigt Revision gegen das Urteil an.

Von Oliver Klasen

Natürlich kennt er auch Kristina Hänel, die vor Gericht für die Abschaffung des Paragrafen 219a stritt. Sie kommen beide aus der gleichen Generation, einer politischen Generation. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Etwa 400 ihrer Unterstützer warten schon vor dem Gebäude, als Kristina Hänel am Freitagmorgen zum Prozess erscheint. Es ist eine Protestkundgebung gegen eine Gesetzespassage, die an deutschen Gerichten nur äußerst selten verhandelt wird. Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen, wenn daraus "ein Vermögensvorteil" gezogen wird.

Hänel, 61, seit Anfang der achtziger Jahre Allgemeinärztin in Gießen, ist genau deshalb angeklagt. Auf ihrer Website stellte sie Infomaterial zur Verfügung und es ergab sich daraus auch, dass sie selbst Abtreibungen vornimmt. Weil Hänel als Medizinerin Honorar für ihre Leistungen erhält, wertet die Amtsrichterin ihr Vorgehen als unerlaubte Werbung und ordnet 6000 Euro Geldstrafe an.

"Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird als sei es eine normale Sache", sagt die Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Eine Abtreibung sei eben keine Blinddarm-OP. Hänels Anwältin, die Frauenrechtlerin und Jura-Professorin Monika Frommel, argumentiert dagegen, ihre Mandantin habe lediglich informiert, aber keine "appellative Werbung" betrieben. Das Urteil enthalte "katastrophale Rechtsfehler", daher werde man in Revision gehen. Hänel selbst hatte zuvor schon angekündigt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Radikale Abtreibungsgegner, die § 219a bereits seit Jahren nutzen, um Ärzte unter Druck zu setzen, können mit dem Urteil aus Gießen einen Erfolg verbuchen. Doch Hänel hofft, eine Debatte in Gang zu setzen. Eine Petition zur Abschaffung des Paragrafen hat bereits mehr als 100 000 Unterstützer, außerdem wollen sich mehrere Bundestagsabgeordnete des Themas annehmen.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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