Protokoll:"Das Schlimmste, was ich je erlebt habe"

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Es waren Minuten, die ein Land veränderten. Um 14:45 Uhr bebte in Japan die Erde - um 15:26 Uhr traf ein Tsunami die Pazifikküste. Panik, Feuersbrünste, Überschwemmungen:

einer Katastrophe.

Japan erlebt eine der schlimmsten Katastrophe seiner Geschichte: Ein Erdbeben der Stärke 8,9 und ein darauffolgender Tsunami verwüsten den Nordosten der Hauptinsel Honshu. Auch im weiter südlich gelegenen Tokio sind die Auswirkungen zu spüren. Japanische Medien berichten von vielen Toten und Verletzten, genaue Zahlen sind noch nicht bekannt. Eine Tsunami-Warnung gilt für den kompletten Pazifikraum.

Es ist früher Nachmittag in Japan, gegen 14:46 Uhr, als die Erde zu beben beginnt. Diese Angabe gilt als relativ sicher. Anschließend überschlagen sich die Ereignisse, Nachrichten und Berichte. In weiten Teilen Japans herrscht Chaos.

Obwohl das Epizentrum 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio liegt, löst das Beben dort Panik aus. Die Menschen laufen auf die Straße, in den Hochhäusern der Hauptstadt klammern sich Geschäftsleute an ihren Schreibtischen fest oder laufen in Richtung der Notausgänge. Um 14:57 Uhr japanischer Zeit läuft eine Eilmeldung über den Ticker der Nachrichtenagentur AFP: "Schweres Erdbeben erschüttert Tokio."

Viele Japaner sind Erdbeben gewohnt, erst am Mittwoch waren in Tokio seismische Bewegungen gemessen worden. Was an diesem Freitag passiert, übertrifft aber alles andere. "Eine Ewigkeit" habe das Beben gedauert, schreiben japanische User bei Twitter. "Es war das Schlimmste, was ich je erlebt habe."

Der Flugverkehr wird sofort gestoppt, Züge, U-Bahnen und Busse halten an. Einige Atomkraftwerke in den Präfekturen Miyagi und Fukushima schalten sich automatisch ab, in Tokio bricht daraufhin die Stromversorgung zusammen. Etwa vier Millionen Menschen seien betroffen, meldet die Nachrichtenagentur Kyodo. Auch das Mobilfunknetz ist lahmgelegt.

Die Meteorologische Behörde gibt die Stärke des Bebens zunächst mit 7,9 auf der Richterskala an und warnt vor einer sechs Meter hohen Flutwelle, die auf die Küste treffen werde. Tatsächlich kommt es noch schlimmer.

Gegen 15:17 Uhr berichtet der größte japanische TV-Sender NHK von vielen Verletzten. Der Tokioter Flughafen Nariota sei geschlossen worden, etliche Fabriken stünden in Flammen. Doch im Vergleich zum Nordosten des Landes kommt die Hauptstadt relativ glimpflich davon. Tokioter Geschäftsleute berichten, sie seien kurz nach dem Beben an ihre Schreibtische zurückgekehrt. In der Katastrophenregion herrscht derweil Ausnahmezustand.

Im japanischen Fernsehen sind erste Bilder einer verwüsteten Hafenstadt zu sehen. Gegen 15:26 Uhr bestätigt NHK: Ein Tsunami hat Japans Pazifikküste getroffen. Zunächst ist von einer vier Meter hohen Flutwelle die Rede, später von zehn Metern. Die Tsunami-Warnung wird zunächst auf große Teile der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshu ausgeweitet, später auf die gesamte Pazifikregion.

Fernsehbilder zeigen Autos nahe der Stadt Sendai, die von der Flutwelle von Küstenstraßen gespült werden. Sendai liegt nur 130 Kilometer vom Epizentrum entfernt direkt am Pazifik. Ganze Häuser werden erfasst und fortgetragen. In Kesennuma, nördlich von Sendai, soll ein großes Schiff gegen einen Wellenbrecher gespült worden sein

Gegen 15:30 Uhr gibt der japanische Ministerpräsident Naoto Kan eine erste Stellungnahme ab: Das Militär solle die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen, um auf das Beben zu reagieren. Die Atomkraftwerke seien nicht beschädigt worden. Der Sender NHK berichtet, Kan habe eine Sondereinheit zum Schutz von Anwohnern im atomaren Notfall geschaffen. Später wird bekannt, dass im Atomkraftwerk Onagawa ein Feuer ausgebrochen ist.

Zwei Stunden nach dem ersten Beben ist die Zahl der Opfer noch völlig unklar. Das Rote Kreuz teilt mit, die größte Sorge gelte nun den Inseln im Pazifischen Ozean. Dort könne eine zehn Meter hohe Welle ein vernichtendes Chaos anrichten.

In Japan ist es schon angekommen.

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