Petra P.:"Das geht in die Polizeigeschichte ein"

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  • Vor etwa 31 Jahren verschwindet die Studentin Petra P. und wird wenig später füt tot erklärt. Ein Mann gesteht, sie ermordet zu haben.
  • Jetzt ist die inzwischen 55-Jährige wieder aufgetaucht. Warum sie abgetaucht ist, will sie nicht sagen.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Am 26. Juli 1984 verließ eine junge Frau das Studentenwohnheim der TU Braunschweig und verschwand aus ihrem alten Leben.

Petra P. war damals 24 Jahre alt und hatte braune, lockige Haare. Die Fahnder recherchierten, dass sie am Tag ihres Verschwindens eine Brille, eine dunkelbraune Jacke, eine beige Hose, flache schwarze Schuhe und zwei Taschen getragen habe. Sie hatte ihrer Familie und einem Mitbewohner erzählt, sie gehe zum Zahnarzt und fahre dann für zwei Wochen zu ihren Eltern nach Wolfsburg. Vater und Mutter waren im Urlaub, doch die Tochter wollte daheim in aller Ruhe die 100 Seiten ihrer Diplomarbeit abtippen. Außerdem hatte ihr jüngerer Bruder Carsten Geburtstag und sich von seiner Schwester ein Computerfarbband gewünscht. Die Informatikstudentin würde wie üblich den Bus nehmen und an der Haltestelle Rasthof aussteigen, hieß es. Aber sie kam nie an.

Man kann sich die hölzern nachgestellte Vorgeschichte und den Fahndungsaufruf in der Sendung "Aktenzeichen XY . . . ungelöst" vom 11. Januar 1985 im Internet ansehen. Wenn man die Gesamtumstände betrachte, sagte damals im Studio der neben Moderator Eduard Zimmermann sitzende Kriminaloberrat Wachholz von der Kripo Wolfsburg, "dann müssen wir wohl davon ausgehen, dass Petra P. Opfer eines Verbrechens geworden ist".

Sie besaß kein Bankkonto, war nicht versichert und ging nur einmal zum Arzt

Für die Version Mord sprach, dass ein Jahr zuvor nahe jener Bushaltestelle Rasthof im Wald ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet worden war. Für Hinweise in beiden Fällen stellten die Behörden 5000 Mark Belohnung in Aussicht. Der erste Fall wurde dann rasch gelöst und der Täter verurteilt - und der psychisch labile Mann gestand, außerdem Petra P. umgebracht zu haben. Nach deren Leiche suchten die Ermittler allerdings vergeblich, die Justiz glaubte ihm nicht, sein Geständnis war diffus. Der Mann musste nur wegen der bewiesenen Tat für acht Jahre ins Gefängnis und ist längst wieder frei. Petra P. wurde 1989 dennoch vom Amtsgericht Wolfsburg für tot erklärt, es gab ja keine Spur. Jetzt lebt sie wieder.

Kürzlich bekam die Polizeidirektion Braunschweig einen Anruf von Kollegen: wie aus dem Jenseits. Polizisten waren wegen eines Einbruchs in eine Düsseldorfer Wohnung gerufen worden und trafen auf eine Mieterin namens Petra Sch. Als die Beamten nach ihren Personalien fragten, gab die 55 Jahre alte Dame zu, dass sie ohne gültige Papiere und mit falschem Namen lebe. Abgelaufene Ausweise zeigen, dass sie in Wahrheit Petra P. heißt, ein DNA-Test ist nur noch juristische Routine. Ein Blick in die Kartei ergab, dass sie seit 31 Jahren vermisst wurde.

Beim Arzt bar bezahlt

"Das geht in die Polizeigeschichte ein", ahnt der Braunschweiger Polizeisprecher Joachim Grande. Wie kann sich jemand, den die Kripo und Eduard Zimmermann gesucht und Richter offiziell für tot gehalten hatten, mehr als drei Jahrzehnte lang mitten in Deutschland verstecken? "Das scheint zu funktionieren", staunt Grande. Inzwischen gab Petra P. alias Petra Sch. zu, dass sie ihre Flucht vorbereitet hatte: Sie habe 4000 Mark zurückgelegt und sich in Gelsenkirchen eingemietet. Sie besaß kein Bankkonto, benützte ein Kartenhandy und war nicht versichert. Sie ging in all der Zeit angeblich ein einziges Mal zum Arzt und bezahlte bar.

Kann das wirklich sein? Fassungslos sind offenbar ihre 79-jährige Mutter und Bruder Carsten, dem sie vor 31 Jahren das Farbband hatte schenken wollen. "Die waren völlig geschockt und haben nur geweint", sagt Grande. Der Vater, seinerzeit promovierter Forscher bei VW, ist verstorben. Grande hofft auf "eine glückliche Zusammenkunft" der Restfamilie aus Gifhorn, die Polizei übermittelt Petra P. einen Brief von Mutter und Bruder. Bisher lehnt sie jeden Kontakt ab. Es war nicht strafbar, die ganze Zeit abgetaucht zu sein, über die Gründe schweigt sie. Braunschweigs Staatsanwaltschaft stellt nun einen Antrag beim Amtsgericht Wolfsburg, damit Petra P. wieder für lebendig erklärt wird.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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