Pennsylvania:Der Mann und die zwölf Mädchen

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Der 51-jährige Lee Kaplan lebte mit zwölf Mädchen in einem Haus. Die Polizei hat ihn festgenommen. (Foto: AP)
  • Die US-Polizei hat in Feasterville im US-Bundesstaat Pennsylvania zwölf Mädchen aus einem Haus befreit, in dem ein 51-Jähriger mit ihnen lebte.
  • Gegen den Mann wird wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt.
  • Nachbarn kritisieren jetzt die Polizei.

Von Jana Stegemann

Er muss Zweifel an der Legalität seines Vorhabens, aber keine moralischen Skrupel gehabt haben. Bevor Daniel Stoltzfus aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania seine 14-jährige Tochter einem 47-jährigen Mann überließ, informierte er sich im Netz, ob es legal sei, ein Kind "zu verschenken".

Seiner Familie mit elf Kindern habe die Zwangsvollstreckung der Farm mit angeschlossener Schrotthandlung in Kirkwood gedroht, sagt Stoltzfus heute. "Aus heiterem Himmel" sei damals ein Mann aufgetaucht, der sie vor dem "finanziellen Ruin bewahrt" habe. Laut einem Bericht der Zeitung The Philadelphia Inquirer gehörten die Stoltzfus zu diesem Zeitpunkt der streng christlichen Religionsgruppe der Amish an. Von der Gemeinde hatte sich Stoltzfus 300 000 Dollar geliehen.

Der Mann, Lee Kaplan, bezahlte die Schulden der Familie und nahm die 14-jährige Tochter der Familie "als Gegenleistung" mit.

"Meine Schwester konnte viel von ihm lernen"

Drei Jahre später hat die US-Polizei am vergangenen Donnerstagabend nicht nur die Tochter aus der Familie Stoltzfus aus dem Haus Kaplans in der US-Stadt Feasterville (etwa 30 Kilometer von Philadelphia entfernt) gerettet, sondern mit ihr elf weitere Mädchen. Die heute 18-Jährige sagte der Polizei, sie und Kaplan hätten zwei gemeinsame Töchter im Alter von drei Jahren und sechs Monaten. Wer die Eltern der anderen neun Mädchen sind, weiß die Polizei nicht.

Er habe gewusst, dass seine Tochter im Alter von 14 Jahren von Kaplan geschwängert worden sei, sagte der Vater der Polizei. Der Bruder der 18-Jährigen, John Stoltzfus, sagte dem Inquirer, er habe in regelmäßigem Kontakt zu seiner Schwester gestanden, "Kaplan ist ein guter Mann, meine Schwester konnte viel von ihm lernen".

Die Polizei, die durch den Tipp einer besorgten Nachbarin auf das Haus in einer Arbeitersiedlung in Feasterville aufmerksam wurde, spricht von "einer der bizarrsten Situationen, die wir je erlebt haben". Als die Einsatzkräfte in den Bungalow eindrangen, hätten sich einige der Kinder versteckt. "Sie waren brav, aber verängstigt", sagte Polizeisprecher Ted Krimmel. Die Kinder seien offenbar nicht zur Schule gegangen. Es sei zudem unklar, ob sie jemals beim Arzt gewesen seien. Gleichwohl schienen sie nicht bei schlechter Gesundheit zu sein und keine sichtbaren Anzeichen von Traumata aufzuweisen. Auf Luftmatratzen hätten die Mädchen im Keller des Hauses zwischen einer teuren Modelleisenbahn, Aquarien mit Welsen und einem Gewächshaus mit Avocado-Bäumen geschlafen. Es habe Anzeichen gegeben, dass die Kinder zu Hause unterrichtet worden seien, heißt es von den Ermittlern. Es seien Schulhefte, Violinen und andere Musikinstrumente gefunden worden. Bei der Durchsuchung sei auch die Mutter der 18-Jährigen, Savilla Stoltzfus, im Haus anwesend gewesen.

Nachbarn informieren die Polizei über "merkwürdige Vorkommnisse"

Gleichwohl habe Lee Kaplan - auf dem Polizeifoto ist ein ungepflegter Mann mit langen, grauen Haaren und Vollbart zu sehen - als einziger Erwachsener in dem Haus mit den vernagelten Fenstern gelebt. Wenn die Mädchen im Garten spielten, hätten sie einfache blaue oder grüne Kleider, wie es in einer Amish-Gemeinde üblich sei, getragen, sagt ein Nachbar. Sie hätten im Gemüsegarten gearbeitet und bei der Aufzucht einer Schar Hühner geholfen.

Die Polizei steht jetzt selbst in der Kritik. Immer wieder wollen verschiedene Nachbarn der Wohnsiedlung die Polizei verständigt haben. Ein Nachbar will bereits 2013 bei der Polizei "merkwürdige Vorkommnisse" gemeldet haben. Die Verdachtsmomente hätten für einen Durchsuchungsbefehl nicht ausgereicht, hält die Behörde dagegen. "Die Nachbarn, die vor zwei Jahren angerufen haben, haben nichts von sexuellem Missbrauch gesagt", sagte der Polizeisprecher, "Was wollen sie gemeldet haben? Dass sie Amish People gesehen haben?"

"Der Mann sah gruselig aus"

Doch die Nachbarin von Gegenüber, Jen Betz, gab nicht auf. Es habe ihr Sorge bereitet, wie traurig und furchtsam die Mädchen vor dem Haus gewirkt hätten, sagte sie. "Der Mann sah gruselig aus." Wieder und wieder habe sie gesehen, wie Kaplan mit dem Mädchen Hand in Hand die Straße entlangspazierte, "wie mit einer Ehefrau, das hat mich verrückt gemacht. Seit Jahren hatte ich meinem Ehemann gesagt: 'Da stimmt etwas nicht, da stimmt etwas nicht'", so Betz. Weil die 37-Jährige sich direkt bei der Kinderfürsorge gemeldet und einen Verdacht auf sexuellen Missbrauch angezeigt habe, sei es gelungen, einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen, hieß es von der Polizei.

Lee Kaplan sitzt nun in Haft, gegen ihn wird wegen sexuellen Missbrauchs in mindestens einem Fall ermittelt. Daniel und Savilla Stoltzfus wurden ebenfalls verhaftet. Der Vater muss sich unter anderem wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verantworten, seiner Frau wird Gefährdung des Kindeswohls vorgeworfen. Ihre Kaution wurde jeweils auf eine Million Dollar festgesetzt. Vom Amish-Glauben hat sich das Paar nach einem langen Justizstreit mit den Ältesten seiner Gemeinde losgesagt. Die zwölf Mädchen befinden sich in staatlicher Obhut und werden noch befragt. "Einige haben gute Dinge über Kaplan gesagt. Er muss sie einer Gehirnwäsche unterzogen haben", sagte Bezirksstaatsanwalt David Heckler. Die Spurensicherung in Kaplans Haus dauere an, Leichenspürhunde seien ebenfalls im Einsatz.

Wayne Knapp, Besitzer von Lenny's Hot Dog Restaurant, sagte dem Inquirer, ihm sei Kaplans Verhalten schon immer komisch vorgekommen. Er habe aber nicht geglaubt, dass Kaplan den Mädchen etwas getan habe - seine Mitarbeiter hätten die Mädchen allerdings "Kaplans Ehefrauen" genannt.

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