Ostereistedt:Wo der Osterhase wohnt

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Woher der Name Ostereistedt genau kommt, ist unklar. Trotzdem haben ihn Kinder als Wohnort des Osterhasen auserkoren. (Foto: dpa)

Wie ein Geschenk der Geschichte zur Adresse für Kinderwünsche wurde: Ein Besuch in der 900-Einwohner-Gemeinde Ostereistedt.

Von Thomas Hahn

Das Navi weiß nicht, wo der Osterhase wohnt, und auf den Straßen von Ostereistedt ist niemand, den man nach dem Weg fragen könnte. Am Waldrand 12 in 27404 Ostereistedt, das ist laut Website des "Herrn Osterhasen Hanni Hase" die Adresse, aber das Navi kennt die Adresse nicht. Die Osterhasen-Homepage ist verlinkt mit der Samtgemeinde Selsingen. Anruf dort. Wo wohnt der Osterhase?

Eine Sprecherin des Vereins Landtouristik empfiehlt, auf die Wegweiser aus Holz zu achten. Tatsächlich führen sie zum Wald, zu einem Schild: "Herzlich willkommen bei Hanni Hase." Eine Lichtung. Ein leerer Hasenstall. Eine Holzhütte. Niemand da.

Es ist beruhigend, dass in diesen Zeiten voller Technik und Kalkül noch ein paar Illusionen übrig sind. Klar: Dass der Osterhase eine Märchenfigur aus dem weltlichen Rahmenprogramm des Osterfestes ist, kriegen die meisten irgendwann raus. Trotzdem, die Figur lebt in den Köpfen vieler Kinder, sie stiftet Freude am Brauchtum, am Draußensein, am Eiersuchen. Sogar am Briefeschreiben.

Ostereistedt ist in dieser Hinsicht ein Geschenk der Geschichte. Wo der Name der 900-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Rotenburg/Wümme genau herkommt, ist unbekannt. Oster steht für eine Ostlage, Eistedt könnte sich aus dem Begriff Eichenstätte gebildet haben. Mit Ostern und Eiern hat der Ortsname nichts zu tun. Aber das glaubt natürlich kein Kind, das an den Osterhasen glaubt. "Kinder hatten die Idee", sagt Hans-Hermann Dunker, "wenn der Osterhase irgendwo wohnt, dann ja wohl in Ostereistedt."

Dunker, 80, Postbeamter im Ruhestand, ist eine Art Osterhasen-Statthalter. Mit anderen Ehrenamtlichen besetzt er jedes Frühjahr das Osterhasenbüro der Deutschen Post in Zeven. Postalisch gehört Ostereistedt zu Zeven, deshalb kamen die ersten Briefe an den Osterhasen dort an. Die Erwachsenen im Postamt wollten die Briefe damals nicht durchwinken und verschickten Antworten. Seit 37 Jahren gibt es die Post vom Osterhasen. Dunker ist seit 20 Jahren dabei, und er kann bezeugen, dass der Glaube an den Osterhasen verbreitet ist. "Letztes Jahr hatten wir 37 000 Briefen", auch aus Amerika, Russland oder China. Wer rechtzeitig schreibt, bekommt eine Antwort, besonders kreative Briefeschreiberinnen und -schreiber eine persönliche.

Hans-Hermann Dunker nimmt sich als Postbeamter im Ruhestand den Osterwünschen, zusammen mit anderen Freiwilligen, an. (Foto: Dieter Sell/epd)

Ostereistedt liegt zwischen Feldern und Wald an einer Landesstraße. Backsteinhöfe, große Gärten, viel Ruhe. Der Name ist längst auch eine Marke. Jeden Ostersonntag veranstaltet der Verein Landtouristik an der Lichtung im Wald ein Ostereiersuchen für bis zu 200 Kinder; Hanni Hase ist dabei, ein Mensch in Kostüm, das an die Animier-Maskottchen beim Sport erinnert. Die Post wirbt mit Ostereistedt für ihr Kerngeschäft. "Wir wollen die Kinder ans Briefeschreiben heranführen", sagt Dunker. Per Mail ist der Osterhase nicht zu erreichen.

Die Kinder wünschen sich meistens Schokolade, Ostereier, Frieden, zunehmend auch größere materielle Sachen. Sie stellen Fragen zur Osterhasenpraxis, sie wollen wissen, wie er am Haushund vorbeikommt oder was er im Sommer macht. Die besten Briefe bewahrt Dunker auf. "Lieber Osterhase", schrieb mal ein kleiner Felix, "ich wünsche mir ganz viel Schokolade (...). Mein kleiner Bruder Lukas braucht noch nix, der hat noch nicht mal Zähne." Im Namen einer Dreijährigen war ein Brief unterschrieben mit "deine dich mehr als den Weihnachtsmann lieb habende Emily". Dunker hat schon über Schach-Aufgaben gebrütet, die der Osterhase lösen sollte. Er hat detailreiche Wünsche gelesen, auch Kummer. Und einmal die Sorge zweier Tierärztinnen: "Als Hase solltest du dich gegen Myxomatose impfen lassen."

Dunker lächelt. Er ist gern der leitende Ghostwriter des Osterhasen. Die Aufgabe ist eine Art Zugabe zum Postdienst, den er von 1955 bis zum Ruhestand versah. Aber für 2019 läuft schon der Endspurt. Gründonnerstag müssen die letzten Briefe da sein, sonst kommen die Antworten vor Ostersonntag nicht an.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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