Österreich:Flüssige Donau

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Nasse Beute: Die Polizei in Wien fischte 100 000 Euro aus der Donau und hing die Scheine zum Trocknen auf. (Foto: AFP)

Nachdem 130 000 Euro aus dem Wasser gefischt wurden, fragen sich die Wiener: Wem gehören all die Scheine? Und warum sind sie im Fluss gelandet? Die Polizei kämpft derweil gegen Spaßmacher und Schatzsucher.

Von Martin Zips

Was für ein großartiger Mikrokosmos die Wiener Donauinsel ist. Das lässt sich in einer TV-Dokumentation der österreichischen Alltagsjournalistin Elizabeth T. Spira studieren. Da flanieren die Einsamen und die Zweisamen, die Angezogenen und die Nackerten, die Braven und die Vorbestraften. Wer von all jenen "Donauinsulanern" mag es gewesen sein, der jetzt so viel Bargeld im Fluss versenkte? Bündelweise 500er-Scheine, die von Wiener Polizeibeamten auf Wäscheständern einzeln zum Trocknen ausgebreitet werden mussten.

Mehr als 130 000 Euro wurden gezählt. Am vergangenen Samstag sollen sie von einem 20-Jährigen und einem 22-Jährigen entdeckt worden sein, direkt vor "Wehr 1", welches die künstlich aufgeschüttete Insel mit dem 22. Gemeindebezirk verbindet. Bei der Wiener Polizei haben sich schon einige Scherzkekse gemeldet und behauptet, das Geld gehöre ihnen. Von solchen Anrufen aber ist dringend abzuraten. Am anderen Ende der Leitung nämlich nimmt ein schlecht gelaunter Beamter der Landespolizeidirektion ab, der sich gegen die Flut geldhungriger Spaßmacher durch die nüchterne Abfrage personenbezogener Daten zur Wehr setzt. Freundlicher klingt da schon der Wirt des gleich am Fundort gelegenen "Barbados Inseltreff", an dessen Ufer immer wieder Rätselhaftes angeschwemmt wird, das dann aber nach einem Teller Spareribs und einem Trumer-Pils auch bald wieder verschwindet.

"Keine Ahnung" habe er, von wem das viele Geld stamme, sagt Wirt Werner Müller, und man merkt, wie es auch ihm kalt den Rücken runter läuft. So viel Bargeld! In einem Fluss! Da dürfte der Begriff "Geldwäsche" wirklich angebracht sein.

Nachdem jedenfalls die Geschichte vom Wiener Donau-Fund die Runde gemacht hatte, kehrte am vergangenen Wochenende auf der "Fadennudel" genannten 21-Kilometer-Insel noch einmal der Sommer zurück. Diesmal freilich kamen die Spaziergänger nicht mit Klappstuhl und Holzkohlegrill, sondern mit Netz und Neoprenanzug. Nervös hielten sie Ausschau nach der möglicherweise noch im Wasser treibenden Penunze. "Wir haben Anrufe bekommen, dass Menschen in selbstmörderischer Absicht in die Donau springen", fasste ein Polizeisprecher das Geschehen zusammen. Natürlich waren es Schatzsucher.

Auf der Insel wird nun diskutiert, ob die beiden Finder sich nicht womöglich selber schon den ein oder anderen Schein aus dem Entlastungsgerinne am Wehr gezogen haben könnten. Als Finderlohn sozusagen. Das aber wäre Fundunterschlagung und damit mindestens so strafbar wie ein bei der Landespolizeidirektion abgesetzter Scherzanruf. Um ständig neu auftauchende Geldsucher von der Fundstelle fernzuhalten, wurde der Bereich mittlerweile abgesperrt. Taucher der Wasserrettung, heißt es, hätten noch weitere Scheine entdeckt, die ebenfalls zum Trocknen aufgehängt wurden.

Der Besitzer dürfte bald gefunden sein. Zwar sei aus der jüngeren Vergangenheit keine Straftat im Zusammenhang mit einer derartigen Summe bekannt, sagte ein Polizeisprecher. Allerdings könnten die (mittlerweile getrockneten) Banderolen, welche die Scheine bündelten, wertvolle Hinweise auf die Bankfiliale geben, bei der das Geld wohl abgehoben worden sei.

Und was ist, wenn jemand sein Erspartes einfach loswerden wollte? Sich dessen aus Rache an möglichen Erben schlicht entledigte? Dann dürfte es sich nur noch um eine ökologisch nicht ganz korrekte Altpapier-Entsorgung handeln.

Ohne Besitzer jedenfalls dürfte das Geld - abzüglich der Einsatzkosten - an die Finder gehen. Und falls sie gut damit haushalten, könnte sich ihnen einmal jener Wunsch erfüllen, den ein Nackerter in Elizabeth T. Spiras "Donauinsulaner"-Film so formulierte: "Ich möchte, dass ein jeder in Österreich die Chance auf eine Insel hat."

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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