Österreich:Döner mit Zwiebel und Strafbefehl

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Ein junger Mann rülpst im Wiener Prater. Dummerweise steht aber genau in dem Moment neben ihm ein Polizist. Die Folge: 70 Euro Bußgeld - und viel, viel Aufregung.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

"Gutes Benehmen bedeutet in erster Linie, unseren Mitmenschen Wertschätzung entgegenzubringen", heißt es bei der österreichischen Knigge-Gesellschaft. Wer sich aber ausschließlich an Benimmregeln halte, wirke schnell mal steif. So viel zum Grundsätzlichen. Dagmar Daxecker, Knigge-Vorstand in Österreich, kann jedenfalls am Rülpsen im Park nichts finden. Wem bei Tisch ein Rülpser herausrutsche, der müsse sich entschuldigen, sagt sie, aber Aufstoßen im öffentlichen Raum sei doch nun eher eine lässliche Sünde. Dafür eine Strafe? "Absurd", sagt sie und lacht. Das sieht die Wiener Polizei anders.

Die nämlich hat vor wenigen Tagen einen Strafbefehl über 70 Euro für eine "Anstandsverletzung" nach Paragraf 1 des Landes-Sicherheitsgesetzes ausgestellt - wegen eines Rülpsers im Prater, dem legendären Wiener Vergnügungspark. Der Rülpser war einem jungen Mann, einem Barkeeper aus Wien, entfahren, nachdem er einen Döner mit allem, also mit Zwiebeln und sehr scharf, gegessen hatte. Wenige Meter neben ihm stand ein Polizist, der sich offenbar persönlich angegriffen fühlte, den Übeltäter empört ermahnte und ihm einen Strafbefehl nach Hause schicken ließ. "Sie haben am 07. 02. 2016 um 17.15 Uhr in 1020 Wien, Praterstern Ausgangsbereich Richtung Praterstraße, durch folgende Begehungsweise den öffentlichen Anstand verletzt: lautes Rülpsen nächst der Polizeibeamten", heißt es in der Begründung.

Illustration: SZ (Foto: a)

Der Prater-Besucher und Gelegenheitsrülpser Edin M., ebenso empört wie der Beamte, postete das Ganze auf Facebook, gespickt mit ein paar subtilen Beleidigungen und weniger subtil formulierten Bedenken zur öffentlichen Sicherheit im Prater, der nicht nur für Riesenrad und Riesenschnitzel, sondern auch für Drogendealer und Taschendiebe bekannt ist: "Also wenn die Wiener Polizei echt keine anderen Sorgen hat, als Menschen aufzuhalten, die rülpsen, dann bin ich mir sicher, dass auch weiterhin der schöne Wiener Prater Tatort von Verbrechen sein wird . . ."

Die Angelegenheit wird Folgen haben, so viel ist bereits jetzt klar. Edin M. will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und Widerspruch einlegen. Und am kommenden Samstag soll im Prater gerülpst werden, was das Zeug hält: Ein Facebook-Nutzer plant einen "LautRülps-Flashmob" am Eingang des Praters. Es könne nicht sein, so Organisator Dominik T., dass Polizisten ihre schlechte Laune an unbescholtenen Bürgern ausließen.

Der Rülps-Flashmob steht in einer schönen Tradition. Vor etwa einem Jahr waren zwei Frauen, die im Café Prückel herumgeknutscht hatten, von der Wirtin auf die Straße gesetzt worden; auch sie argumentierte mit Benehmen, Anstand und Knigge: So etwas tue man nicht in der Öffentlichkeit oder zumindest nicht in ihrem Lokal. Die Folge: ein Kiss-in auf der Straße vor dem Café, bei dem zwar nicht sonderlich viel geknutscht, aber sehr viel über bürgerliche Freiheiten und Diskriminierung von Homosexuellen geredet wurde.

Am Wochenende könnte das Thema beim Flashmob mithin weniger der Anstand in Gegenwart von Polizisten, sondern eher deren eigentliches Aufgabengebiet sein: dort für Ordnung zu sorgen, wo es wirklich nötig ist.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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