Öl-Katastrophe von BP:Die ultimative Stahlkappe

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Neuer Versuch nach der Absaugglocke: Mit einer heiklen Prozedur will BP den Ölfluss endlich stoppen. Eine fast zehn Meter hohe und mehr als 70 Tonnen schwere Stahlkappe soll installiert werden.

Reymer Klüver

Es ist ein hochriskantes Unterfangen. Während drei, vier, vielleicht auch mehr Tagen sprudelt das schwarze Öl unten am Macondo-Bohrloch in 1600 Metern Tiefe nun wieder völlig ungehindert in den Golf von Mexiko. Live kann man es mit der Webcam verfolgen. Doch wenn alle Arbeiten verlaufen wie geplant, dann soll der ölspeiende Geysir am Meeresgrund so abgedichtet sein, dass die Dreckbrühe vollständig abgesaugt und der Ölfluss zumindest zeitweise ganz gestoppt werden kann. Die Sache ist nur die: BP hat seit Beginn der Ölkatastrophe vor bald einem Vierteljahr schon so oft so viel versprochen. Und bisher hat nur wenig so funktioniert, wie es sollte.

BP startet wieder einmal Manöver zum Stopp des Ölstroms. (Foto: dpa)

Der neue Versuch hatte am Samstag begonnen. Die Techniker von BP entfernten die Absaugglocke, die über die Leckstelle am Blowout-Preventer, dem defekten Sicherheitsventil des Bohrlochs, gestülpt war. Das Öl fließt seither wieder unkontrolliert. Anstelle der Absaugglocke soll nun eine fast zehn Meter hohe, mehr als 70 Tonnen schwere Stahlkappe installiert werden. Dafür müssen Unterwasser-Roboter sechs Schrauben am Blowout-Preventer entfernen - ein Unterfangen, das allein einen Tag in Anspruch nehmen soll. Die ferngesteuerten Mini-U-Boote entnehmen dazu die Schraubenschlüssel einem Korb am Meeresgrund. Kabel verbinden die Werkzeuge mit dem Korb, falls ein Roboter sie verlieren sollte.

Alles geschieht unter dem ungeheuren Wasserdruck unendlich langsam, wie in extremer Zeitlupe - weshalb die Arbeiten auch so lange dauern. Anschließend müssen zwei aus dem Blowout-Preventer ragende Stahlrohre - die Reste des beim Untergang der Deepwater Horizon abgerissenen Bohrgestänges - mit Stahlband gebündelt werden, ehe die neue Kappe angepasst werden kann. Mit ihrer Hilfe will BP das ganze Öl absaugen, das aus dem Bohrloch kommt. Die Stahlkappe ist zudem mit Messinstrumenten ausgestattet, sodass erstmals festgestellt werden kann, wie viel Öl tatsächlich ausströmt.

Weiteres Absaugschiff über dem Bohrloch

Die Schätzungen reichen bis zu 9,5 Millionen Litern täglich. Zudem soll die Kappe so funktionieren wie ein Mini-Blowout-Preventer, sodass zumindest zeitweise Ventile den Ölfluss ganz unterbrechen können. Für den Fall aber, dass etwas schiefgehen sollte, lagert in unmittelbarer Nähe eine neue Absaugglocke auf dem Meeresboden. Sie müsste nur über die Leckstelle gestülpt werden - dann wäre alles so wie bisher.

Parallel zu den Arbeiten an der neuen Stahlkappe hat BP ein weiteres Absaugschiff über dem Bohrloch in Stellung gebracht. Der Helix Producer soll mit Hilfe von Saugrohren bis zu drei Millionen Liter Öl direkt an der Leckstelle auffangen. So soll auch zumindest ein Teil des Öls, das in den kommenden Tagen ungehindert ausfließt, geborgen werden. Der Krisenkoordinator der amerikanischen Regierung, Admiral Thad Allen, hatte den Ölkonzern gedrängt, eine Schönwetterphase für die Arbeiten im Golf auszunutzen. Für eine gute Woche haben die Meteorologen eine Pause zwischen Stürmen vorausgesagt.

Fast unbeachtet blieben unterdessen die Fortschritte bei den Arbeiten für das zweite Bohrloch, mit dessen Hilfe das defekte Macondo-Bohrloch endgültig versiegelt werden soll. Am Samstag war die Bohrung nur noch etwas mehr als 20 Meter von ihrem Zielpunkt entfernt. Die Ingenieure hoffen nun, den Ölfluss auf diese Weise noch vor Ende des Monats ein für alle Mal stoppen zu können. Und nicht erst, wie bisher gedacht, im August. Sagt jedenfalls BP.

© SZ vom 12.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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