Neues Medikament:Kampf gegen die Zeit

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Eltern setzen sich für die Rettung ihrer kinderdementen Tochter ein - und protestieren öffentlich in London.

Von CHRISTINA BERNDT und BJÖRN FINKE, London/München

In einem winzigen Park in Londons Bankenviertel stehen zwei Männer und halten ein Transparent hoch. Die Grünfläche grenzt an eine Filiale der Bank of America Merrill Lynch, wo gerade eine Investorenkonferenz stattfindet: Pharma-Unternehmen stellen sich den Fragen der Finanzmarkt-Profis. Auch Manager der kalifornischen Pharma-Firma Biomarin sollen heute hier sprechen. Darum sind die beiden Männer da.

Mit ihrem Transparent fordern Michael Vogel und Neil Scott die Firma Biomarin auf, Vogels Tochter Hannah zu retten. Die Zehnjährige leidet an Kinderdemenz, auch NCL2 genannt. Ohne Behandlung verliert Hannah jede Woche mehr und mehr Fähigkeiten. Doch es gäbe eine Chance für sie: Biomarin testet derzeit eine noch nicht zugelassene Arznei in einer ersten Studie an 24 Kindern; deren Eltern berichten von grandiosen Erfolgen. Doch Biomarin weigert sich, die Arznei namens BMN 190 an Kinder außerhalb der Studie herauszugeben. Die SZ berichtete im Mai. "Zwischendurch sah es so aus, als würde Biomarin einlenken", sagt Hannahs Mutter Stefanie Vogel, die bei ihrer Tochter zu Hause in Bad Tölz geblieben ist. "Aber das war wohl alles nur Hinhaltetaktik." Dabei geht es nur um wenige Kinder - in Deutschland gibt es nicht mehr als 30 NCL2-Patienten, in ganz Europa vielleicht einige hundert.

Die Firma Biomarin verweist darauf, dass sie "allen Patienten verpflichtet" sei. "Unser ganzes Engagement gilt der schnellstmöglichen Entwicklung einer sicheren und wirksamen Therapie", die Behandlung Einzelner könne dieses Ziel gefährden, heißt es in einem Statement. Doch bis BMN 190 zugelassen ist, könnte es für Hannah zu spät sein. Ihre Demenz schreitet voran. "Jetzt läuft sie manchmal orientierungslos durch die Wohnung, wie man das von alten Menschen mit Demenz kennt", sagt ihre Mutter.

Hannahs Arzt, Thorsten Marquardt vom Universitätsklinikum Münster, fordert eine politische Regelung, wonach eine unabhängige medizinische Expertengruppe eine Herausgabe des Medikaments erzwingen kann. Dafür setzen sich auch Stefanie und Michael Vogel ein, die bereits mit Bundestagsabgeordneten Gespräche geführt haben. "Wir werden weiter für eine politische Lösung kämpfen ", sagt Stefanie Vogel. "Egal, wie es für Hannah ausgeht."

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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