Nach Paris-Attentat und Silvester:301 000 Deutsche haben den kleinen Waffenschein - Tendenz steigend

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  • Die Nachfrage nach dem kleinen Waffenschein ist in Deutschland seit dem vergangenen Herbst deutlich gestiegen.
  • Das Papier erlaubt das Mitführen von Schreckschusspistolen in der Öffentlichkeit.
  • Sicherheitsexperten sehen den Trend kritisch, glauben aber nicht, dass es hierzulande zu US-amerikanischen Verhältnissen kommt.

Von Felicitas Kock

Immer mehr Menschen in Deutschland beantragen den kleinen Waffenschein, der es erlaubt, eine Schreckschusspistole in der Öffentlichkeit mitzuführen. Zwischen Ende November und Ende Januar stellten 21 000 Menschen den Antrag. Das hat jetzt das Bundesinnenministerium auf die Frage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic bekanntgegeben.

Insgesamt wurden im Nationalen Waffenregister Ende Januar fast 301 000 kleine Waffenscheine gespeichert. In Frankfurt am Main hat sich die Zahl der Anträge seit Silvester gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr verzehnfacht. In Köln gingen allein bis Mitte Januar rund 300 Anträge ein. Im ganzen Jahr 2015 waren es 408.

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Irene Mihalic, ausgebildete Polizistin, kritisiert die Entwicklung: Nicht auszudenken, was passiere, wenn Menschen auf Großveranstaltungen vorschnell zur Waffe greifen würden.

Auf Großveranstaltungen aber dürften die Waffen ohnehin nicht mitgeführt werden, Waffenschein hin oder her, sagt Ingo Meinhard, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler.

Nachfrage bereits im Herbst stark gestiegen

Für den reinen Erwerb der Waffen gibt es derzeit keine Auflagen. Jeder Erwachsene kann sich eine Schreckschusspistole kaufen, solange er sie zu Hause aufbewahrt und, sollte er sie doch einmal mit nach draußen nehmen, in einem abgeschlossenen Behältnis transportiert. Wer die Schreckschusspistole ungesichert in der Öffentlichkeit mit sich herumtragen will, braucht seit 2003 den kleinen Waffenschein.

Eine deutlich gestiegene Nachfrage sei bereits im Herbst 2015 verzeichnet worden, sagt Meinhard. Experten gehen davon aus, dass die Anschläge in Paris am 13. November ein Grund für den plötzlichen Anstieg waren. Wegen der Vorfälle in Köln und dem Terroralarm in München sei die Nachfrage nach Silvester noch einmal gewachsen.

Der sprunghafte Anstieg zeige die wachsende Verunsicherung der Bevölkerung, sagt die Grünen-Abgeordnete Mihalic. "Wenn jedoch immer mehr Menschen Waffen tragen, wird das eher zur Eskalation als zur Beruhigung der Lage beitragen", so die Fraktionsexpertin für innere Sicherheit, die nun fordert, Lücken im Waffenrecht zu schließen. "Ein Baustein wäre, dass auch Kauf und Besitz von Schreckschusswaffen, Pfefferspray und Co. zukünftig erlaubnispflichtig werden." Außerdem müsse die Politik für eine personell gut bestückte und angemessen ausgestattete Polizei sorgen, um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu verstärken.

Scharfe Waffen nur für Jäger und Sportschützen

Waffenexperte Meinhard geht davon aus, dass nur ein kleiner Bruchteil der Menschen, die einen kleinen Waffenschein besitzen, tatsächlich mit Schreckschusspistolen auf der Straße herumläuft. Schon allein, weil die Pistolen sehr unhandlich seien und viele gar nicht wüssten, wie man damit umgehe.

Grundsätzlich würden viele Menschen den Schein beantragen, weil sich damit Silvesterfeuerwerk sicher abschießen lasse. Andere wollten sich zu Hause vor Einbrechern sicher fühlen. Aktuell werde aber vor allem wegen des Gefühls der Unsicherheit in der Öffentlichkeit nach Mitteln der Verteidigung gefragt.

Zustände wie in den USA sieht Meinhard aber nicht heraufziehen. "Hier bewährt sich das deutsche Waffenrecht", sagt der Verbandschef. In Einzelfällen würden gerade auch scharfe Waffen zum Selbstschutz nachgefragt. Die bekommen in Deutschland aber nur Jäger und Sportschützen. Und der Weg dahin ist "relativ lang und teuer", so Meinhard. So müssen Sportschützen etwa ein Jahr in einem Verband Mitglied sein, einen Lehrgang durchlaufen, eine Prüfung ablegen und mancherorts an Wettkämpfen teilnehmen, bevor erwogen wird, ob sie eine Waffenbesitzkarte bekommen.

Mit Material der Agenturen.

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