Nach Lotto-Rekordgewinn:Deckel auf den Jackpot

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Ein Westfale räumt 37 Millionen ab, jetzt wollen die Bundesländer die Höchstsumme begrenzen. Ein Entwurf für ein neues Lotteriegesetz wird derzeit verhandelt.

Marten Rolff und Klaus Ott

Die Aufregung um den Gewinner des Riesenjackpots war so groß, dass es erstmal eine Falschmeldung gab: Eine Tippgemeinschaft habe die richtigen Zahlen gehabt, meldeten die Nachrichtenagenturen am Montag zunächst. Wenig später musste sich die federführende Lottogesellschaft Brandenburg korrigieren, um schließlich Rekord auf Rekord zu verkünden. Der mit 37,6 Millionen Euro größte Jackpot der deutschen Lottogeschichte geht als größter je erzielter Einzelgewinn an nur einen Tipper aus Nordrhein-Westfalen. Einsatz: 9,50 Euro. Der Gesamtspieleinsatz war mit 148,3 Millionen der höchste seit der Euro-Einführung und der zweithöchste überhaupt. Statistisch hatte der Rekordjackpot jeden zweiten Erwachsenen in Deutschland dazu animiert, für die Wochenendziehung zu tippen. Dabei setzten die Tipper etwa 50 Prozent mehr Geld ein als in der Woche zuvor.

Besserer Schutz vor Spielsucht

Mit solchen Rekorden könnte es bald vorbei sein. Denn im Entwurf für ein neues Lotteriegesetz, über das die Regierungen der 16 Bundesländer derzeit verhandeln, ist auch eine Begrenzung des Lotto-Jackpots vorgesehen. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006, demzufolge das staatliche Wettmonopol nur aufrecht erhalten werden darf, wenn es konsequenter als zuvor seinen eigentlichen Zweck verfolgt: den Schutz der Bürger vor Spielsucht. Und mit der Höhe des Gesamtgewinns, so der Grundgedanke für die Jackpot-Deckelung, wächst auch die Gefahr der Spielabhängigkeit - eine Sichtweise, die durchaus umstritten ist.

Bei den Lotteriegesellschaften glaubt man eher nicht an das Suchtpotential des Jackpots. Die Statistik zeige zwar, dass ein extremer Gewinn ein stärkerer Anreiz für Neukunden und Gelegenheitstipper sei, "aber die bleiben nicht dabei, die sind am nächsten Tag wieder alle weg", sagt Horst Mentrup, Geschäftsführer der Lottogesellschaft Brandenburg.

In Frankreich locken bis zu 120 Millionen

Zudem gebe es bereits eine Beschränkung, heißt es in der Potsdamer Zentrale. Die Einsätze dürfen maximal sieben Wochen lang angehäuft werden. Falls bis dahin niemand sechs Richtige mit Superzahl tippt, muss zwangsausgeschüttet werden. Bei den Lottogesellschaften war man davon ausgegangen, dass so höchstens 40 Millionen Euro zusammenkommen, die jetzige Rekordsumme war allerdings bereits nach fünfeinhalb Wochen erreicht. Zudem verweist man bei den Gesellschaften auf die ungleich höheren Jackpots, die im Ausland, etwa in Frankreich (bis zu 120 Millionen Euro) oder den USA (mehrere 100 Millionen Dollar) ausgeschüttet werden.

Wissenschaftler sehen die Riesenjackpots indessen kritischer. Einerseits sei das Suchtpotential von Lotterien, die "einen langgestreckten Spielablauf ohne Kick" hätten, eher gering, sagt Tobias Hayer vom Institut für Psychologie und Kognitionsforschung der Universität Bremen. Nach einer Studie seines Instituts führte Lotto nur bei sechs Prozent aller Spielsüchtigen zu Problemen. Andererseits sei nicht auszuschließen, dass ein hoher Jackpot "ein Einstieg ist, nach dem die Gefahr besteht, hängen zu bleiben". Beim Fachverband Glücksspielsucht sieht man noch ein weiteres Argument für die Begrenzung. Lasse man Jackpots astronomisch wachsen, entstehe daraus "eine Armensteuer", sagt die Vorsitzende Ilona Füchtenschnieder. "Bei hohen Jackpots spielen - in der Hoffnung auf das große Glück - noch mehr Leute mit kleinem Einkommen mit, an denen der Staat dann über seine Lottogesellschaften verdient."

Private Lottofirma klagt

Völlig unklar ist bislang, wie hoch die Deckelung des Jackpots ausfallen wird. Sicher ist aber schon jetzt, dass die Festlegung "die Quadratur des Kreises" bedeutet, räumt ein Referent ein, der mit der Ausarbeitung der Neuregelungen betraut ist. Es gehe darum, den Gewinn zu beschneiden, ohne der Lotterie ihre Attraktivität zu nehmen, sonst werde es künftig immer mehr Leute geben, "die lieber in der Illegalität spielen".

Nun könnte auch die Justiz über die Höhe des Jackpots entscheiden. Beim Landgericht München reichte eine private Lottoservicefirma Klage gegen die Bundesländer ein: Deren Lottogesellschaften soll nur noch ein Höchstgewinn von 9,99 Millionen Euro erlaubt sein. Höhere Summen verführten viele Bürger dazu, vor dem Tippen den Verstand auszublenden, heißt es. Das aber verstoße gegen den Auftrag der Suchtbekämpfung.

© SZ vom 10.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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